Tarifeinheitsgesetz im Wesentlichen verfassungsgemäß, doch Gesetzgeber muss nachbessern
Das Tarifeinheitsgesetz ist in weiten Teilen mit dem Grundgesetz vereinbar. Schließen in einem Betrieb mehrere Gewerkschaften einen Tarifvertrag ab, so wird der Tarifvertrag der kleineren Gewerkschaft vom anderen verdrängt. Bei der Repräsentation der Interessen kleiner Gewerkschaften muss jedoch nachgebessert werden, entschied das Bundesverfassungsgericht.
Was im Tarifeinheitsgesetz steht
Durch das Tarifeinheitsgesetz aus dem Jahr 2015 werden Tarifkollisionen verhindert. Schließen mehrere konkurrierende Gewerkschaften in einem Betrieb kollidierende Tarifverträge ab, gilt nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern. Das Tarifeinheitsgesetz regelt, dass die anderen Tarifverträge verdrängt werden. Sie sind dann nicht mehr anwendbar.
Verfassungsbeschwerden kleinerer Gewerkschaften
Berufs- und Branchengewerkschaften wandten sich beim Bundesverfassungsgericht gegen das Gesetz. Sie sahen sich in ihrer Koalitionsfreiheit aus Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verletzt. Würde sich stets der Tarifvertrag der mitgliederstärksten Gewerkschaft durchsetzen, gingen die Interessen der kleinen Gewerkschaften völlig unter, so die Antragsteller. Kleinere Gewerkschaften vertreten oft einzelne Berufsgruppen wie Ärzte oder Piloten. Ihre speziellen Belange sahen sie durch das Tarifeinheitsgesetz gefährdet.
Gesetzgeber muss die Interessen der kleinen Gewerkschaften berücksichtigen
In wesentlichen Punkten sieht das Bundesverfassungsgericht keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Es sei dem Gesetzgeber durchaus möglich, auf das System der Tarifautonomie einzuwirken, wenn dessen Funktionsfähigkeit dadurch gesichert wird. Jedoch müsse der Gesetzgeber an einer Stelle nachbessern. Die Interessen der kleinen Gewerkschaften seien im Falle einer Tarifkollision nicht hinreichend berücksichtigt. Für die Verdrängung ihrer Tarifverträge sehe das Gesetz keinen angemessenen Ausgleich vor. Es fehle an Mechanismen, die Interessen der kleineren Gewerkschaften in den Mehrheitstarifvertrag einzubringen. Das stelle für die betroffenen Gewerkschaften eine zu starke Härte dar.
Der Gesetzgeber ist nun aufgefordert, für diesen Fall eine neue Regelung zu treffen. Bis dahin wird ein Minderheitstarifvertrag nur verdrängt, wenn die Mehrheitsgewerkschaft die Interessen der Minderheit berücksichtigt hat.
Streikrecht bleibt unangetastet
Befürworter des Gesetzes hatten sich ein Ende der vielen Streiks, vor allem in den Bereichen der Daseinsvorsorge, erhofft. Das Bundesverfassungsgericht stellte jedoch klar, das Streikrecht der kleineren Gewerkschaften bleibe durch das Gesetz unberührt. Diese könnten ihr Arbeitskampfrecht auch dann wahrnehmen, wenn der dadurch erkämpfte Tarifvertrag später von der stärkeren Gewerkschaft verdrängt würde.
Bleiben Sie zum Thema Arbeitsrecht auf dem Laufenden!
Jetzt abonnieren und wöchentlich eine Zusammenfassung der neuesten Beiträge erhalten!