Pro Arbeitsstunde gewährte Zusatzleistung kann auf tariflich vereinbarten Mindestlohn angerechnet werden
Zusatzleistungen, die ein Arbeitgeber neben der Grundvergütung pro geleisteter Arbeitsstunde gewährt, können grundsätzlich auf den tariflich vereinbarten Mindestlohn angerechnet werden. Das entschied das Bundesarbeitsgericht im Fall eines Beschäftigten aus der Fleischindustrie.
Tarifvertragliche Treueprämie muss ausgezahlt werden
Im zu entscheidenden Fall war der Kläger bis Ende 2014 als Schichtarbeiter bei der Beklagten, einem Schlacht- und Verarbeitungsbetrieb der Geflügelbranche, beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis galten die Tarifverträge, die mit der Industriegewerkschaft Bauern-Agrar-Umwelt geschlossen wurden.
Im Manteltarifvertrag war eine Treueprämie nach § 8 Lohn- und Gehaltstarifvertrag vorgesehen. Sie sollte für den kontinuierlichen Arbeitseinsatz ausgezahlt werden und betrug in der Lohngruppe des Klägers 0,65 € brutto pro Stunde. Im Mai 2009 kündigte der beklagte Betrieb die Tarifverträge. Danach zahlte er auf Basis einer „Betrieblichen Entgeltregelung“ zunächst eine Treuprämie von nur noch 0,25 €, später von 0,50 € pro Stunde. Erst ab Dezember 2010 zahlte das Unternehmen wieder eine Prämie in Höhe von 0,65 €, da sie nun eine vorformulierte „Betriebliche Mantelregelung“ anwandte, die auch eine dem Manteltarifvertrag entsprechende Treueprämie umfasste.
Ab dem 01.07.2014 galt in der Fleischwirtschaft nach dem Tarifvertrag für Mindestbestimmungen ein Mindestlohn von 7,75 € und ab dem 01.12.2014 von 8,00 € pro Stunde. Im Zeitraum von August bis November 2014 zahlte sein Betrieb dem Kläger allerdings nur einen Stundenlohn von 7,15 € sowie eine Treueprämie von 0,50 € und eine Schichtzulage von 0,10 €. Im Dezember 2014 erhielt der Beschäftigte einen Stundelohn von 7,40 € bei gleichbleibender Höhe der Zusatzleistungen. Daraufhin verlangte er für August bis November Auszahlung der Differenz seines Stundenlohns zur Höhe des Mindestlohns, da der Anspruch auf den tarifvertraglichen Mindestlohn nicht vollständig erfüllt sei und zudem die Treueprämie 0,65 € betrage.
In Bezug auf die Treueprämie war der Kläger sowohl vor dem zuständigen Landes- als auch vor dem Bundesarbeitsgericht erfolgreich. Bezüglich des Mindestlohnanspruchs wiesen beide Gerichte die Klage ab.
Zusatzleistungen können auf Mindestlohn angerechnet werden
Dass der Kläger grundsätzlich einen Anspruch auf die Treueprämie habe, sei unbestritten. Ihre Höhe bemesse sich nach der „Betrieblichen Entgeltregelung“, so die Richter. Da diese auf den Lohn- und Gehaltstarifvertrag verweise, betrage sie 0,65 €. Durch diese Gesamtzusage erhalte jeder Beschäftigte, der wie der Kläger die Voraussetzungen erfülle, einen einzelvertraglichen Anspruch auf die Prämie.
In Bezug auf den tariflich vereinbarten Mindestlohnanspruch sei die Klage unbegründet, da der Anspruch nach Auffassung der Richter bereits erfüllt worden sei. Treueprämie und Schichtzulage seien mindestlohnwirksam. Zusatzleistungen könnten neben der Grundvergütung dem Mindestlohn angerechnet werden, wenn sie die vereinbarten, angemessenen Mindestentgeltsätze gewährleisteten. Dies sei hier der Fall, da die Beklagte die Prämien fortlaufend für tatsächlich geleistete Arbeit ausgezahlt habe.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.03.2017, Az.: 5 AZR 424/16
Das BAG hat auch bereits in einem Fall zum gesetzlichen Mindestlohn ähnlich entschieden. Dieses Urteil haben wir hier zusammengefasst.
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