Keine Einschränkung des Direktionsrechts zur Umgehung der Sozialauswahl

Einschränkung des DirektionsrechtsEine Klausel, durch die ein Arbeitgeber sein Direktionsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer stark einschränkt, kann unwirksam sein. Diese Aussage überrascht zunächst, denn wie könnte es für den Arbeitnehmer schädlich sein, wenn der Arbeitgeber seine eigenen Weisungsrechte einschränkt? Ein kürzlich vom Landesarbeitsgericht (LAG) Köln zu entscheidender Fall zeigte aber, dass die Einschränkung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber durchaus nachteilig für den Arbeitnehmer sein kann – und zwar dann, wenn das Direktionsrecht nur zu dem Zweck eingeschränkt wird, die Kündigung des Arbeitnehmers zu erleichtern.

Folgender Sachverhalt stand zur Entscheidung: Der Arbeitnehmer und spätere Kläger war seit 2001 bei der beklagten Arbeitgeberin – einer TV-Produktionsfirma – aufgrund mehrerer befristeter Verträge als Produktionsleiter beschäftigt. Der letzte befristete Vertrag sollte vom 01. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2015 laufen, da Ende Dezember die Produktion eingestellt wurde. Bereits zuvor, im Juni 2015, hatte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer gegenüber vorsorglich zusätzlich eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen. Der Arbeitnehmer klagte daraufhin gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses.

Unwirksame Befristung und mangelhafte Sozialauswahl

Das LAG stellte zunächst fest, dass die Befristung des Arbeitsvertrages unwirksam sei, da kein wirksamer Befristungsgrund vorgelegen habe. Aber auch die vorsorglich ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung habe das Arbeitsverhältnis nicht wirksam beendet, da keine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt worden sei. Die weiteren bei der Arbeitgeberin beschäftigten Produktionsleiter seien jünger und zudem kürzer im Betrieb beschäftigt gewesen, sodass sie vorrangig zu kündigen gewesen wären.

Hintergrund: Was bedeutet „Sozialauswahl“?

Unter „Sozialauswahl“ versteht man eine Auswahlentscheidung, die der Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Kündigung durchführen muss, wenn die Arbeitnehmer unter das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) fallen und grundsätzlich mehrere Arbeitnehmer für eine Kündigung in Betracht kommen (sog. „horizontale Vergleichbarkeit“). Gem. § 1 Abs. 1 und 3 KSchG ist eine Kündigung daher „sozial ungerechtfertigt“, wenn „der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat“.

Arbeitgeberin: Keine Sozialauswahl erforderlich

Die Arbeitgeberin hatte im Prozess behauptet, die übrigen Produktionsleiter seien nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen gewesen, da nur der Arbeitsvertrag des Klägers eine Versetzbarkeit durch Weisung des Arbeitgebers ausschließe. Er sei daher mit den anderen Arbeitnehmern nicht „horizontal vergleichbar“ gewesen.

Dem widersprach das LAG: Eine solche Ausschließung des Direktionsrechts der Arbeitgeberin konnte es zum einen nicht im Arbeitsvertrag finden; zum anderen sei eine solche Einschränkung aber ohnehin unwirksam, da sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteilige (§ 307 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch). Das weite allgemeine Direktionsrecht des Arbeitgebers sei regelmäßig im Interesse des Arbeitnehmers, denn es erweitere den Kreis der vergleichbaren Arbeitsplätze, auf die sich die soziale Auswahl im Fall der Kündigung erstrecke.

Zudem verwies die Kammer darauf, dass durch die Einschränkung des Direktionsrechts nach dem Willen der Arbeitgeberin letztendlich durchgesetzt werden sollte, was durch die Befristung nicht wirksam geregelt werden konnte – nämlich eine Möglichkeit, Arbeitnehmer produktionsbezogen entlassen zu können, ohne eine Sozialauswahl durchführen zu müssen. Auch insoweit zeige sich also die benachteiligende Wirkung einer Einschränkung des Direktionsrechts.

Die Klage des Arbeitnehmers hatte folglich Erfolg.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 08. Mai 2017 – Az. 2 Sa 264/16

 

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