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Dynamische Bezugnahmeklausel in Arbeitsverträgen und Betriebsübergang bei Erwerb von Unternehmensanteilen

Ein Rechtsbeitrag von Rechtsanwalt und Fachanwalt Christoph J. Burgmer

Dynamische Bezugnahmeklausel: Rechtliche Probleme

Dynamische Bezugnahmeklauseln bereiten des Öfteren rechtliche Probleme (Was sind dynamische Bezugnahmeklauseln?). Denn was passiert, wenn das Tarifvertragssystem, auf das im Arbeitsvertrag dynamisch verwiesen wird, abgeschafft und durch ein gänzlich neues ersetzt wird? Endet dann lediglich die „Dynamik“ – wird also die dynamische Bezugnahmeklausel faktisch zu einer statischen? Oder ist die Klausel vielmehr so zu verstehen, dass sie auch auf nachfolgende, neue Tarifvertragssysteme verweist?
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste sich in der Vergangenheit mehrfach mit dieser Thematik auseinandersetzen. Erhebliche Probleme bereitete zuletzt u.a. der Übergang vom Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) zum Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) bzw. zu den Tarifverträgen der Länder (TV-L) im Jahre 2006. Im Jahr 2010 entschied das BAG grundlegend, dass Arbeitsverträge mit dynamischen Bezugnahmeklauseln auf den BAT so auszulegen seien, dass auch der Tarifvertragswechsel auf das Tarifsystem TVöD bzw. TV-L erfasst sein soll. Dies entspreche der Regelung, die die Vertragsparteien „redlicherweise getroffen hätten“, wenn sie diese Problematik vorhergesehen hätten (Ur­teil vom 19.05.2010, 4 AZR 796/08).

Nach wie vor problematisch: dynamische Bezugnahmeklauseln bei Betriebsübergang

Damit fanden die Rechtsstreitigkeiten um dynamische Bezugnahmeklauseln auf den BAT aber noch kein Ende. In einer aktuellen Entscheidung hatte das BAG erneut über eine solche Bezugnahmeklausel zu entscheiden, und zwar im Zusammenhang mit einem (möglichen) Betriebsübergang nach § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Der Kläger im vom BAG zu entscheidenden Fall ist seit 1984 Arbeitnehmer bei einer Rehabilitationsklinik. Der Arbeitsvertrag mit der beklagten Arbeitgeberin enthält einen dynamischen Verweis auf „die Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961, die diesen Tarifvertrag ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung“. Die Arbeitgeberin ist nicht tarifgebunden.
Der Kläger hatte bereits im Jahr 2007 gegen die Beklagte ein Urteil beim Arbeitsgericht Essen erstritten, in dem festgestellt wird, dass auf das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten die Vorschriften des TVöD in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung finden. (Das entspricht der oben dargestellten Rechtsprechung des BAG zu diesem Thema.) Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.
In dem nunmehr vom BAG entschiedenen Fall hatte der Kläger unter Verweis auf dieses Urteil auf Zahlung rückständigen Lohns für die Monate Januar bis November 2013 erneut gegen seine Arbeitgeberin geklagt und sich dabei auf die im Jahr 2013 geltende Entgelttabelle des TVöD berufen.

Führt ein Kauf von Gesellschaftsanteilen zu einem Betriebsübergang?

Die beklagte Arbeitgeberin wehrte sich gegen die Lohnforderungen, indem sie argumentierte, das Urteil des Arbeitsgerichts Essen aus dem Jahr 2007 entfalte insoweit keine Rechtskraft mehr, denn zwischenzeitlich sei es zu einem Betriebsübergang gekommen. Tatsächlich war im Jahr 2002 eine Aktiengesellschaft – hier als M-AG bezeichnet – Gesellschafterin der Beklagten geworden, indem sie Gesellschaftsanteile an dem Unternehmen der Beklagten erwarb.
Ein Betriebsübergang gemäß § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) liegt vor, wenn es zu einem Wechsel des Inhabers eines Betriebs oder Betriebsteils durch eine Vereinbarung mit dem bisherigen Betriebsinhaber kommt. Grundsätzlich tritt der neue Inhaber in die bestehenden Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverträgen ein. Das gilt auch für Arbeitsverträge, die zeitlich unbegrenzt dynamisch auf Tarifverträge verweisen. In der deutschen Rechtsprechung ist gerade die Frage, ob dieser Eintritt des Erwerbers in dynamische Bezugnahmeklauseln mit europäischem Recht vereinbar ist[1], hoch umstritten. Vielfach wird argumentiert, dass der Erwerber in seiner unternehmerischen Handlungs- und Bewegungsfreiheit eingeschränkt wäre, wenn er an dynamische Bezugnahmeklauseln aus Arbeitsverträgen mit dem ehemaligen Betriebsinhaber gebunden wäre.
Das BAG legte diese Frage im Juni 2015 anlässlich eines anderen Verfahrens dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Klärung vor. Bisher hat der EuGH jedoch noch nicht entschieden; der Generalanwalt hat in den Schlussanträgen jedoch dafür plädiert, dass sich infolge eines Betriebsübergangs eine dynamische Bezugnahmeklausel in eine statische Bezugnahmeklausel umwandelt (EuGH C-680-15).

BAG: Erwerb von Unternehmensanteilen ist schon kein Betriebsübergang

In diese Richtung argumentierte auch die Beklagte, um sich gegen die Lohnforderungen des Klägers zu verteidigen. Trotz der bislang noch fehlenden Entscheidung des EuGH konnte das BAG dennoch bereits über die Lohnansprüche des Klägers im hiesigen Verfahren entscheiden. Das BAG stellte nämlich klar, dass der bloße Erwerb von Anteilen durch die M-AG an dem Unternehmen der Beklagten „nach der Rechtsprechung des EuGH [schon] keinen Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen“ darstelle. Auf die Frage der Wirkung von Betriebsübergängen auf dynamische Bezugnahmeklauseln musste das BAG in diesem Fall somit gar nicht mehr zu sprechen kommen.
Dem Kläger steht nach Auffassung des BAG somit ein Entgeltanspruch gemäß TVöD entsprechend dem Urteil des Arbeitsgerichts Essen aus 2007 grundsätzlich zu. Allerdings verwies der Senat den Rechtsstreit zur erneuten Sachentscheidung an die Vorinstanz zurück, da diese nicht geprüft hatte, ob dem Kläger das Entgelt nach der von ihm geltend gemachten Entgeltgruppe und -stufe zustand. Diese Feststellungen muss das Landesarbeitsgericht nun nachholen.

Fazit

Zusammenfassend bleibt abzuwarten, ob der EuGH im Sinne der Schlussanträge des Generalanwalts über die Vorlagefrage des BAG entscheiden wird.  Im hier vorgestellten Fall hat das BAG zunächst noch einmal den Begriff des Betriebsübergangs vor dem Hintergrund der Richtlinie 2001/23/EG herausgearbeitet.
 
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. März 2017 – 8 AZR 89/15.
[1] Konkret geht es um die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- und Betriebsteilen sowie um Art. 16 der EU-Grundrechte-Charta.

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