„Whistleblowing“: Strafanzeige gegen Arbeitgeber erst nach internem Klärungsversuch
Die vorschnelle Anzeige angeblichen Fehlverhaltens des Arbeitgebers beim Jugendamt durch einen Arbeitnehmer, der mit der Betreuung von Kleinkindern beschäftigt ist, stellt einen wichtigen Kündigungsgrund dar.
Erstattung einer Strafanzeige ist zunächst Ausübung eines Grundrechts
Das LAG Köln legte in seinem Urteil vom 05.07.2012 – 6 Sa 71/12 dar, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit Anzeigen gegen den Arbeitgeber bei staatlichen Behörden zu beachten sei, dass der Arbeitnehmer mit der Erstattung einer Strafanzeige ein Grundrecht ausübe, das ihm die Rechtsordnung ausdrücklich gewähre. Es entspreche allgemeinem Interesse des Rechtsstaats an der Erhaltung des Rechtsfriedens und an der Aufklärung von Straftaten. Daher dürfe der Arbeitnehmer zur Aufklärung von Straftaten beitragen, selbst wenn diese vom Arbeitgeber begangen würden. Haltlose Vorwürfe aus verwerflichen Motiven könnten demgegenüber einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB darstellen. Insbesondere müsse die Anzeige verhältnismäßig sein.
Zunächst muss eine interne Klärung mit dem Arbeitgeber versucht werden
Daher entscheid das LAG Köln, dass eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein kann, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber vorschnell anzeigt. Aufgrund der Loyalitätspflicht hätte der Arbeitnehmer zunächst eine interne Klärung versuchen müssen. Ein klärendes Gespräch wäre dem Arbeitnehmer auch zumutbar gewesen. Erst nach dem Scheitern eines solchen Versuchs wäre dann die Einschaltung der Behörde in Betracht gekommen. Durch die vorschnelle Anzeige beim Jugendamt habe der Arbeitnehmer den Arbeitgeber leichtfertig beschuldigt und das Vertrauensverhältnis in einer Weise belastet, dass den Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung auch nur während der noch laufenden Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar gewesen sei.