Unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot bei sachgrundloser Befristung – Kehrtwende in der Rechtsprechung?

VorbeschäftigungsverbotDas Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen scheint eine Änderung in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung bezüglich einem Vorbeschäftigungsverbot anbahnen zu wollen und ist der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu sachgrundlosen Befristungen in einer Entscheidung deutlich entgegengetreten.

Sogenannte „sachgrundlose Befristungen“ sind nach der gesetzlichen Regelung ein Ausnahmefall. Nach § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) können Arbeitsverhältnisse grundsätzlich nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes befristet werden. Ohne sachlichen Grund ist eine Befristung nur unter den Voraussetzungen von § 14 Abs. 2 TzBfG möglich. Dort heißt es auszugsweise: „Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; (…). Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.“ (sog. Vorbeschäftigungsverbot)

Bisherige Rechtsprechung: Nur Zeitraum der letzten drei Jahre relevant

Das BAG hat im Jahr 2011 das  Vorbeschäftigungsverbot bei demselben Arbeitgeber dergestalt ausgelegt, dass nur solche Vorbeschäftigungen relevant seien, die nicht länger als drei Jahre zurücklägen (Urteil vom 6. April 2011 – 7 AZR 716/09). Diese Rechtsprechung ist in der Folge auf verbreitete Kritik in Forschung und Praxis gestoßen. Nun tritt auch das LAG Niedersachsen dieser Auslegung deutlich entgegen.

In dem von der Kammer zu entscheidenden Fall hatte zwischen der klagenden Arbeitnehmerin und der beklagten Arbeitgeberin bereits 2008 ein Arbeitsverhältnis bestanden. Im Jahr 2014 gingen die Parteien erneut ein – diesmal sachgrundlos befristetes – Arbeitsverhältnis ein. Die Arbeitnehmerin klagte schließlich auf Feststellung, dass diese Befristung rechtsunwirksam sei.

LAG Niedersachsen: Wortlaut der Norm gibt diese Auslegung nicht her

Das LAG Niedersachsen gab ihr Recht: Für die Auslegung des § 14 Abs. 2 TzBfG in Form eines nur dreijährigen Vorbeschäftigungsverbots gebe der Wortlaut der Vorschrift keinerlei Anhaltspunkte. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei stattdessen so auszulegen, dass ein zeitlich unbegrenztes Verbot einer anschließenden sachgrundlosen Befristung bestehe. Für diese Auslegung spreche neben dem Wortlaut auch die Gesetzesgeschichte sowie die Gesetzessystematik des TzBfG. Die Arbeitgeberin habe bei Abschluss der weitergehenden sachgrundlosen Befristung auch nicht darauf vertrauen können, dass in der Rechtsprechung auch künftig nur von einem dreijährigen Vorbeschäftigungsverbot ausgegangen werde, denn die Rechtsprechung des BAG sei insoweit schon seit mehreren Jahren vehement kritisiert worden.

Nach Revisionseinlegung – wie wird sich das BAG entscheiden?

Das Urteil des LAG enthält allerhand „Sprengstoff“: Die Kammer scheint auf eine Gelegenheit geradezu gewartet zu haben, seine anderslautende Rechtsauffassung deutlich zu machen. Die Revision zum BAG ist inzwischen anhängig, das Urteil daher auch noch nicht rechtskräftig. Mit Spannung darf daher erwartet werden, ob das BAG an seiner bisherigen Rechtsauffassung zu § 14 Abs. 2 TzBfG festhalten wird oder ob die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zu sachgrundlosen Befristungen eine Kehrtwende erfährt.

Sollte sich das BAG der Auffassung des LAG anschließen, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf die Praxis: Arbeitgeber müssten künftig sehr genau überprüfen, ob irgendwann (!) in der Vergangenheit bereits ein Arbeitsverhältnis mit einem potenziellen Arbeitnehmer bestanden hat. Sachgrundlose Befristungen wären dann insgesamt in deutlich weniger Fällen möglich und derzeit bestehende sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse könnten als unwirksam befristet anzusehen sein.

Landesarbeitsgericht Niedersachsen 6. Kammer, Urteil vom 20.07.2017, 6 Sa 1125/16; die Revision ist beim BAG unter dem Aktenzeichen 7 AZR 477/17 anhängig.

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