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Überwachung von Arbeitnehmern nur bei konkretem Verdacht

Ein Rechtsbeitrag von Rechtsanwalt und Fachanwalt Christoph J. Burgmer

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Christoph J. Burgmer als Experte bei ZDF “Volle Kanne”, Sendung vom 20.02.2015, zum Thema: Überwachung von Arbeitnehmern.

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Mitarbeiter nur dann von ihrem Arbeitgeber überwacht werden dürfen, wenn ein konkreter, auf Tatsachen gestützter Verdacht einer schweren Pflichtverletzung im Raum steht. Ein schwerer Pflichtverstoß, der eine Überwachung rechtfertigt, liegt beispielsweise dann vor, wenn der Arbeitnehmer im Krankenstand einer weiteren Erwerbstätigkeit nachgeht. Hierfür müssten dann konkrete Anhaltspunkte vorliegen, um beispielsweise den Einsatz eines Detektivs zu rechtfertigen, so die Bundesrichter. Grundsätzlich müsse die Überwachung des Einzelnen immer das letzte erfolgversprechende Mittel sein, da der Arbeitnehmer ansonsten in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt werde, wie Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Christoph J. Burgmer erläutert.
1)    Der Fall klingt ja wie in einem Krimi – ein Einzelfall? Oder wie verbreitet ist die Überwachung von Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber?
Die Arbeitsgerichte haben sich in der Vergangenheit bereits mehrfach mit der Überwachung von Arbeitnehmern beschäftigt. So beispielsweise das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 11.07.2013. Hier hatte ein Vorgesetzter den arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer samstags bei der Autowäsche in einer Waschanlage angetroffen und ihn fotografiert, als er augenscheinlich putzmunter sein Fahrzeug reinigte. In einem anderen Fall, der bis zum Bundesarbeitsgericht ging, Urteil vom 20.06.2013, kontrollierte der Vorgesetzte den Spind eines Mitarbeiters in dessen Abwesenheit auf Diebesgut und wurde fündig.
Es ist jedoch zu differenzieren zwischen dem Ausspähen im privaten Bereich und der Überwachung am Arbeitsplatz, etwa in großen Produktionshallen. Auch hierzu gibt es eine Vielzahl arbeitsgerichtlicher Entscheidungen, wie beispielsweise die des Landesarbeitsgerichts Mainz vom 23.05.2013, als es darum ging, dass ein Arbeitnehmer Schmerzensgeld verlangte, weil er sich durch die eingerichtete Videoüberwachung beobachtet fühlte. Hier gab das Gericht dem Kläger Recht, blieb aber hinsichtlich der Summe des Schmerzensgeldes weit hinter dem klägerischen Antrag zurück. Es gab statt der verlangten € 10.000, lediglich € 650,00.
Ob das nur die Spitze des Eisberges ist oder aber Einzelfälle ist schwer zu beurteilen. Wir vermuten aber, dass die Überwachung von Arbeitnehmer nicht so selten ist.
2)    Ist das denn überhaupt erlaubt? Was sagt die derzeitige Rechtsprechung dazu?
Die großflächige und willkürliche Überwachung von Arbeitsstätten und Arbeitnehmern ist verboten. Diese zu legitimieren ist schwer. So kann das durch eine Betriebsvereinbarung geschehen, die die Interessen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer zu wahren hat, so das Landesarbeitsgericht Kiel in seinem Beschluss vom 29.08.2013. Im Übrigen ist die Regelung des § 32 Bundesdatenschutz in diesem Kontext interessant. Dieser regelt die Überwachung nicht öffentlich zugänglicher Arbeitsplätze und schränkt sie sehr stark ein.
§ 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG: „Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.“ Es müssen also konkret Anhaltspunkte bereits einen Verdacht begründen.
Bei der Überwachung im Einzelfall, wenn also nur ein einzelner Arbeitnehmer betroffen ist, wie im obigen Beispiel, wägt die Rechtsprechung ab. Das Foto aus der Waschstraße durfte verwertet werden, die Aussagen derer, die den Spind geöffnet hatten, dagegen nicht. Hier war die Verwertung von Beweismitteln, die heimlich und ohne Kenntnis des Mitarbeiters gewonnen worden waren, ausgeschlossen, weil ein milderes Mittel, beispielsweise eine Taschenkontrolle bei Verlassen des Geländes, zur Verfügung gestanden hätte. Der Arbeitgeber muss somit immer im Rahmen des Verhältnismäßig-keitsprinzips das mildeste Mittel wählen, bevor er heimlich überwacht.
Die Abwägung im Waschstraßen-Fall sah folgendermaßen aus: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst u.a. auch das Recht am eigenen Bild. Es gehört zum Selbstbestimmungsrecht jedes Menschen, darüber zu entscheiden, ob Fotografien oder Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen. Das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete, auch im Privatrechtsverkehr und insbesondere im Arbeitsverhältnis zu beachtende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ist – auch in seiner Ausprägung als Recht am eigenen Bild – nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe können durch Wahrnehmung überwiegend schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein.
Bei einer Kollision des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit den Interessen des Arbeitgebers ist durch eine Güterabwägung im Einzelfall zu ermitteln, ob dieses den Vorrang verdient.
Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die Speicherung der Fotos auf der Handykamera ist nicht schwerwiegend. Der Vorgesetzte hat die Aktivitäten des Klägers an der öffentlich zugänglichen Autowaschanlage unmittelbar beobachtet, so dass er als Augenzeuge zur Verfügung steht. Die Speicherung der Fotos über seine punktuelle persönliche Beobachtung stellt unter den gegebenen Umständen keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Es bestand aus Sicht des Vorgesetzten der konkrete Verdacht, dass der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht und damit einen Entgeltfortzahlungsbetrug begangen haben könnte.
Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem neuen Fall bei der Überwachung von Mitarbeitern durch Detektive enge Grenzen gesetzt. Nur wenn ein Verdacht auf Tatsachen beruht und konkret ist, dürfen Arbeitgeber Detektive zur Kontrolle von Beschäftigten einsetzen, urteilten die Richter am Donnerstag in Erfurt. Stellt sich die Überwachung eines Arbeitnehmers als unzulässig heraus, haben observierte Mitarbeiter Anspruch auf Schmerzensgeld. Die Richter entschieden nun, dass die Überwachung rechtswidrig war, weil sie nur auf Vermutungen fußte. Vermutungen reichen aber nicht aus, um einen solchen schwerwiegenden Eingriff zu rechtfertigen.
3)    Ab wann handelt es sich um eine Verletzung der Privatsphäre?
Die Privatsphäre als Ausprägung des Persönlichkeitsrechts ist verletzt, wenn der Eingriff unverhältnismäßig, also letztlich unangemessen ist. Grundsätzlich gilt, dass das Allg. Persönlichkeitsrecht ein Wert von Verfassungsrang ist. Auf der anderen Seite haben die Arbeitgeber jedoch auch Rechte, beispielsweise aus Art. 12 GG. „Feiert“ der Arbeitnehmer unberechtigt krank, so schädigt er den Arbeitgeber, der den Lohn fortzahlen muss, aber keine Arbeitsleistung erhält. Dauert dieser Zustand länger als sechs Wochen an, wird sogar die Allgemeinheit (Versichertengemeinschaft) geschädigt, weil die Krankenkassen „Krankengeld“ zahlen müssen. All das ist bei einer sogenannten „Güterabwägung“ zu berücksichtigen, weshalb sich nicht pauschal sagen lässt, wann die Grenze zur Verletzung des Persönlichkeitsrechts überschritten ist. Nähert sich der Privatdetektiv dem Arbeitnehmer jedoch in dem von § 123 StGB geschützten Bereich, also beispielsweise in seiner Wohnung, ist die Privatsphäre in jedem Fall verletzt. Auch hier gibt es keine festen Grenzen, sondern es ist immer eine Einzelfallentscheidung.
4)    Kann denn Videomaterial, das ohne mein Wissen von mir angefertigt worden ist, vor Gericht gegen mich verwendet werden?
Auch das hängt wieder vom Einzelfall ab. Man wendet, auch im Arbeitsgerichtsprozess, die Grundsätze aus dem Strafverfahren entsprechend an. Man differenziert also, ob der Beweis überhaupt „erhoben“ werden durfte, um dann in einem zweiten Schritt zu schauen, ob der rechtmäßig oder auch rechtswidrig erhobene Beweis „verwertet“ werden darf. Es gibt also Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote. Im oben genannten „Spind-Fall“ nahm das Gericht bereits ein Beweiserhebungsverbot an und ließ die Aussage des Vorgesetzten, Diebesgut im verschlossenen Spind des Mitarbeiters gefunden zu haben, nicht zu. Die Heimlichkeit der Beweiserhebung war ein zu starker Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters.
Grundsätzlich gilt aber auch hier, dass Videomaterial erst dann erhoben und verwerten werden kann, wenn keine milderen Mittel zu Verfügung stehen und die Interessen des Arbeitsgebers die des Arbeitnehmers überwiegen.
5)    Welche Folgen hat das aktuelle Urteil auf die zukünftige Überwachung von Arbeitnehmern?
Da kein Fall wie der andere ist, lassen sich Folgen schwer abschätzen. Es gibt ja bereits eine gefestigte Rechtsprechung zum Eingriff in das Allg. Persönlichkeitsrecht und der vorzunehmenden Güterabwägung. Der Schutz der Arbeitnehmer geht tendenziell vor und sehr weit. Die Gerichte urteilen häufig „arbeitnehmerfreundlich“, so dass davon auszugehen ist, dass grobe Verstöße des Arbeitgebers weiterhin nicht erlaubt sein werden, bzw. unerlaubt erlangte Informationen im Arbeitsgerichtsprozess nicht berücksichtigt werden.
Das Urteil hat indes große Bedeutung, weil die Voraussetzungen für einen Detektiveinsatz bisher nicht geregelt sind. Festzustellen bleibt, dass ein Arbeitgeber nicht einfach aus einem Verdacht heraus den Ermittler bestellen kann. Wahrscheinlich wird die Zahl der Observationen nach diesem Urteil deutlich zurückgehen, weil die Gefahr eines Schmerzensgeldes nunmehr größer ist. Unabhängig davon, dass eine darauf beruhende Kündigung auch unwirksam sein dürfte.
6)    Stichwort Krankschreibung: Was darf ich denn überhaupt machen, wenn ich krankgeschrieben bin, ohne in Konflikt mit meinem Arbeitgeber zu kommen?
Es ist alles erlaubt, was dem Genesungsprozess fördert Ein kurzer Spaziergang wird einer Erkältung gut tun und auch Einkaufen ist fast immer erlaubt– es sei denn, der Arzt hat absolute Bettruhe verordnet. Mit dem Arm im Gips können sie getrost ins Kino oder in ein Restaurant gehen – mit einer schweren Bronchitis dagegen in der Kneipe zu sitzen, fördert nicht gerade die Genesung. Und wer seine Krankheit nur simuliert und dauernd in Bars oder Diskotheken auftaucht, oder wer im Freibad mit einer Grippe erwischt wird, riskiert seinen Job.
7)    Mediziner haben jetzt den Vorschlag gemacht, dass sich Beschäftigte für die Dauer von bis zu einer Woche selbst krankmelden können sollen, um die Ärzte zu entlasten und mehr Zeit für die Behandlung von „wirklich“ Kranken zu haben. Was spricht für und was spricht gegen diesen Vorschlag – und woher kommt diese Idee?
Für die Idee spricht, dass es in Zukunft mehr Vertrauen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gäbe, denn der Arbeitgeber würde auf die Richtigkeit der Angaben des Arbeitnehmers vertrauen müssen und ihm glauben, dass er krank ist. Indes sieht die Realität anders aus. Hier wird darüber gestritten, ob die Krankmeldung schon ab dem ersten Tag der Erkrankung eingefordert werden kann, oder ob der Arbeitnehmer sie erst am zweiten Tag übersenden / vorzeigen darf. Es besteht ein großes Misstrauen der Arbeitgeber in Hinblick auf die Richtigkeit der Krankmeldung. Im Urteil des Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.07.2013, Az.: 10 Sa 100/13, wurde beispielsweise die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers bestätigt, der im Krankenstand die Wohnung seiner Tochter renoviert hatte. Arbeitskollegen hatten dem Arbeitgeber den entscheidenden Tipp gegeben.
Gegen die Idee spricht also das Missbrauchspotenzial, das ihr innewohnt. Melden sich Mitarbeiter unberechtigt krank und erhalten Lohnfortzahlung, so verursachen sie im Wiederholungsfall einen großen betriebs- und auch volkswirtschaftlichen Schaden. Sowas muss im Interesse der ehrlichen Arbeitnehmer und im Interesse der Arbeitgeber vermieden werden.

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