Gebot des fairen Verhandelns bei Aufhebungsverträgen
Will der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag schließen, muss er das Gebot des fairen Verhandelns beachten. Danach darf eine psychische Drucksituation des Arbeitnehmers bei Vertragsverhandlungen nicht ausgenutzt werden. Eine solche Drucksituation liegt beispielsweise vor, wenn ein durch Krankheit geschwächter Arbeitnehmer zu Hause aufgesucht wird, um einen Aufhebungsvertrag abzuschließen.
So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 07. Februar 2018 entschieden.
Zum Hintergrund: Beseitigung eines Aufhebungsvertrages
Haben Arbeitnehmer und Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag geschlossen, kann dieser nur unter engen Voraussetzung wieder beseitigt werden.
So kann der Arbeitnehmer in manchen Fällen den Aufhebungsvertrag anfechten. Das ist möglich, wenn der Arbeitnehmer über wichtige Tatsachen geirrt hat, oder vom Arbeitgeber widerrechtlich bedroht oder arglistig getäuscht wurde. Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer zum Beispiel nicht mit einer Kündigung drohen, wenn diese offensichtlich nicht in Betracht kommt.
In Frage käme grundsätzlich auch ein Widerruf des Aufhebungsvertrags nach Verbraucherrechten. Es ist allerdings umstritten, ob der Arbeitnehmer sich in einem solchen Fall auf seine Verbraucherrechte berufen kann. Das BAG erteilt dem in dieser Entscheidung eine Absage.
Das BAG stellte in der aktuellen Entscheidung klar, dass noch ein weiterer Aufhebungsgrund in Betracht kommt.
Zum Sachverhalt: Vertragsschluss bei kranker Arbeitnehmerin zu Hause
Im vorliegenden Fall war die Arbeitnehmerin als Reinigungskraft bei der Arbeitgeberin angestellt. Die Arbeitgeberin wollte mit einem Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis sofort und ohne Abfindung beenden. Zu diesem Zweck wurde die Arbeitnehmerin in ihrer Wohnung aufgesucht. Weitere Details zu den Vertragsverhandlungen sind unter den Parteien umstritten. Jedenfalls brachte die Arbeitnehmerin später vor, sie sei krank gewesen, als die Arbeitgeberin sie aufsuchte.
Um sich vom Aufhebungsvertrag zu lösen, erklärte die Arbeitnehmerin die Anfechtung wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung. Hilfsweise widerrief sie den Aufhebungsvertrag nach dem Verbraucherrecht. Die Arbeitgeberin sah das Arbeitsverhältnis weiterhin als aufgelöst an. Deshalb klagte die Arbeitnehmerin vor dem Arbeitsgericht.
Zur Entscheidung: Gebot des fairen Verhandelns verletzt
Das BAG fällte die Entscheidung in großen Teilen zugunsten der Arbeitnehmerin und verwies die Sache zurück an das Landesarbeitsgericht (LAG).
Weder durch Anfechtung noch durch Widerruf sei der Aufhebungsvertrag beseitigt worden. Für eine Anfechtung könne die Arbeitnehmerin weder einen Irrtum, noch eine arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung beweisen. Zudem sei ein Arbeitnehmer zwar grundsätzlich als Verbraucher anzusehen, allerdings sei das Verbraucherwiderrufsrecht nicht auf Aufhebungsverträge anwendbar. Dies entspreche dem Willen des Gesetzgebers.
Es sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Arbeitgeberin gegen das Gebot des fairen Verhandelns verstoßen habe. Dieser Grundsatz verbiete es, dass der Arbeitgeber eine psychische Drucksituation und die dadurch eingeschränkte Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers bei Vertragsverhandlungen ausnutze. Eine Verletzung komme hier in Betracht, weil die Arbeitnehmerin möglicherweise durch Krankheit geschwächt gewesen sei. Sollte die Arbeitgeberin diese Einschränkung bewusst ausgenutzt haben, so könne die Arbeitnehmerin sich vom Aufhebungsvertrag lösen.
Weil das LAG diese Möglichkeit nicht geprüft habe, sei die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages durch das LAG erneut zu beurteilen.
Fazit
Das BAG bestätigt, dass ein Verbraucherwiderruf bei Aufhebungsverträgen ausscheidet. Es stellte aber auch klar, dass Arbeitnehmer sich wegen unfairen Drucksituationen bei den Vertragsverhandlungen unter Umständen vom Aufhebungsvertrag lösen können.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. Februar 2019 – 6 AZR 75/18 –
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