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D'Hondt-Verfahren im Rahmen von Betriebsratswahlen verfassungsgemäß

Ein Rechtsbeitrag von Rechtsanwalt und Fachanwalt Christoph J. Burgmer

Das Problem des Verhältniswahlsystems: Proporz der Sitzverteilung

Hinter dem Rechtsstreit steht ein Problem des Verhältniswahlsystems. Bei einer Verhältniswahl werden die zu verteilenden Sitze anteilig danach vergeben, wie viel Prozent der Stimmen eine Partei auf sich vereinigen konnte.
Im vom BAG zu entscheidenden Fall hatte die Liste V 557 Stimmen erhalten, die Liste D 306 und die Liste H 279 Stimmen. Daraus ergibt sich folgende prozentuale Verteilung:

V D H
48,8 % 26,8 % 24,4 %

Daraus müsste dann die Anzahl der Sitze ermittelt werden, die V, D und H nach ihren Stimmenanteilen zustünden. Dies ergibt (gerundet) Folgendes:

V D H
8,3 Sitze 4,6 Sitze 4,1 Sitze

Damit ist jedoch nichts gewonnen, denn zur Verteilung stehen logischerweise nur ganze Sitze zur Verfügung. Dieses Problem, das sich im Übrigen auch bei Bundes- und Landtagswahlen stellt, versuchte der Jurist Victor d’Hondt mit einem speziellen Verfahren zu lösen. Dabei wird eine Tabelle angelegt, die wie folgt aussieht:

Partei 1 Partei 2 Partei 3
1
2
3
4

In die erste Zeile (1) werden die jeweils erreichten Stimmen eingetragen. In die zweite Zeile (2) werden die jeweils erreichten Stimmen, geteilt durch 2, eingetragen. In die dritte Zeile (3) kommen die erreichten Stimmen, geteilt durch 3, usw.
Für die vom BAG zu entscheidende Konstellation ergibt sich dann:

V D H
1 557 306 279
2 278,5 153 139,5
3 185,7 102 93
4 139,3 76,5 69,8
5 111,4 61,2 55,8
6 92,8 51 46,5
7 79,6 43,7 39,9
8 69,6 38,3 34,9
9 61,9 34 31

Nun werden die 17 Sitze in der Weise vergeben, dass die 17 höchsten Werte ausgewählt werden. Das sieht dann so aus:

V D H
1 557 (1) 306 (2) 279 (3)
2 278,5 (4) 153 (6) 139,5 (7)
3 185,7 (5) 102 (10) 93 (11)
4 139,3 (8) 76,5 (14) 69,8 (15)
5 111,4 (9) 61,2 55,8
6 92,8 (12) 51 46,5
7 79,6 (13) 43,7 39,9
8 69,6 (16) 38,3 34,9
9 61,9 (17) 34 31

Daraus ergibt sich, dass die Liste V 9 Sitze erhält, während die Listen H und D jeweils 4 Sitze erhalten.
Das d’Hondt-Verfahren ist jedoch durchaus nicht unproblematisch: Wie sich erahnen lässt, weicht die Sitzverteilung durchaus vom tatsächlichen Proporz ab. Proporz bezeichnet das Verhältnis von Angehörigen einer Gruppe und der Zahl ihrer Vertreter in einem Entscheidungsgremium, hier dem Betriebsrat.
So hat Liste V prozentual keine 50% der Stimmen erlangt, verfügt aber nach dem d’Hondt-Verfahren schließlich über mehr als die Hälfte der Sitze im Betriebsrat. Ebenso haben H und D jeweils 4 Sitze erhalten, obwohl D mehr Stimmen erhalten hatte. Es zeigt sich, dass das d’Hondt-Verfahren Mehrheiten begünstigt, während Minderheiten benachteiligt werden. Für Bundestagswahlen hat man sich daher inzwischen für ein anderes Verfahren entschieden.

Keine Bedenken gegen das d’Hondt-Verfahren bei Betriebsratswahlen

Das BAG hat gleichwohl entschieden, dass das d’Hondt-Verfahren für Betriebsratswahlen verfassungsgemäß sei. Eine vollkommene Abbildung des Proporzes der Wählerstimmen könne mit keinem der gängigen Sitzzuteilungsverfahren erreicht werden, da eben nur ganze Sitze verteilt werden können. Daher könne der für die Wahlordnung verantwortliche Verordnungsgeber die Entscheidung, wie die Sitzverteilung vorzunehmen sei, im Rahmen seines Gestaltungsspielraums auswählen. Das d’Hondtsche Höchstzahlverfahren fördere zugleich die Mehrheitssicherung und diene damit einem anzuerkennenden Ziel, nämlich der Funktionsfähigkeit der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretung.
Es bleibt damit wohl vorerst dabei, dass die Nachteile des d’Hondt-Verfahrens bei Betriebsratswahlen in Kauf zu nehmen sind.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22. November 2017 – 7 ABR 35/16

Ihr Rechtsanwalt

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