AGG: Nur mögliche Diskriminierung reicht nicht für Schadensersatz

 AGGDas Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet auch im Arbeitsleben eine Benachteiligung von Beschäftigten „aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ (§§ 1, 7 AGG). Dies betrifft sowohl die Begründung von Beschäftigungsverhältnissen, als auch deren Ausgestaltung. Bestimmungen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen sind unwirksam; ein benachteiligter Arbeitnehmer kann außerdem Schadensersatz – etwa im Umfang einer entgangenen Vergütung – verlangen (§ 15 AGG).

Der Rechtsschutz gegen Benachteiligungen kann jedoch schwierig sein, da bewiesen werden muss, dass ein laut AGG verbotener Benachteiligungsgrund ursächlich für die Benachteiligung geworden ist. Das AGG sieht daher in § 22 eine Beweiserleichterung für betroffene Beschäftigte vor: Diese müssen nicht die verbotene Benachteiligung als solche, sondern nur Indizien beweisen, „die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen“. Kann die Gegenseite (also in der Regel der Arbeitgeber) dann nicht beweisen, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorgelegen hat, so „gewinnt“ der Beschäftigte – das Gericht geht dann von einer rechtswidrigen Benachteiligung aus.

Rechtsschutz gegen Benachteiligungen: Die Anforderungen an den Indizienbeweis nach § 22 AGG

Das Bundesarbeitsgericht hat sich nun in einer Entscheidung vom 26.01.2017 damit auseinandergesetzt, welche Anforderungen an den Beweis der Indizien, die eine verbotene Benachteiligung vermuten lassen, nach § 22 AGG zu stellen sind. Der Kläger des Verfahrens ist mit einem Grad der Behinderung von 50% als schwerbehinderter Mensch anerkannt; er arbeitete bei der Beklagten ursprünglich als Kurier mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 27,5 Stunden. Im Sommer 2013 schloss die Beklagte mit ihren Beschäftigten Änderungsverträge, nach denen ein Gesamtstundenvolumen von 66,5 Stunden unbefristet auf 14 Beschäftigte verteilt wurde. Die Mitarbeiter der Beklagten, darunter auch der Kläger, baten in der Folge um Erhöhung ihrer Wochenstundenzahl. Eine solche Erhöhung wurde allen Mitarbeitern außer dem Kläger und einem weiteren Mitarbeiter, der erst seit kurzem bei der Beklagten tätig war, gewährt.

Der Kläger erhob daraufhin Klage zum Arbeitsgericht und begehrte Erhöhung seiner Wochenstundenzahl; er behauptete, die Beklagte habe ihn wegen seiner Behinderung bei der Erhöhung der Wochenstunden benachteiligt. Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos; in der Berufungsinstanz erweiterte der Kläger seine Klage um einen Antrag auf Schadensersatz in Höhe der ihm entgangenen Vergütung (§ 15 AGG). Auf die Berufung des Klägers zum Landesarbeitsgericht (LAG) wies dieses den Antrag auf Erhöhung der Wochenstundenzahl ab, erkannte ihm aber den begehrten Schadensersatz zu. Dagegen legte die Beklagte wiederum Revision zum BAG ein.

Ursächlichkeit muss „überwiegend wahrscheinlich“ sein

Das BAG urteilte nun, das LAG habe § 22 AGG nicht korrekt angewendet. Das LAG hatte lediglich festgestellt, dass nach dem Vorbringen des Klägers Indizien vorlägen, die eine Ursächlichkeit der Schwerbehinderung des Klägers für die Benachteiligung möglich erscheinen ließen; dies habe die Beklagte nicht widerlegt. Dies genügt nach Auffassung des BAG aber nicht. Vielmehr müssten Indizien vorliegen, die mit „überwiegender Wahrscheinlichkeit“ darauf schließen ließen, dass die Schwerbehinderung ursächlich für die Benachteiligung war.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass nach Ansicht des BAG trotz der Beweiserleichterung des § 22 AGG die vom Beschäftigten anzuführenden Indizien eine gewisse „Stärke“ aufweisen müssen, die dafür spricht, dass ein nach AGG verbotener Benachteiligungsgrund sehr wahrscheinlich ursächlich für eine benachteiligende Maßnahme gewesen ist.

Das BAG hat den Rechtsstreit nunmehr zur erneuten Verhandlung zurück an das Landesarbeitsgericht verwiesen, da es noch an Feststellungen zur endgültigen Entscheidung des Rechtsstreits fehlte.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. Januar 2017 – 8 AZR 736/15.

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