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Was geht das meinen Chef an?

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Christoph J. Burgmer als Experte bei ZDF “Volle Kanne”, Sendung vom 18.08.2014, zum Thema: Was geht das meinen Chef an?

Arbeitnehmer glauben häufig, dass sie in ihrer Freizeit tun und lassen können, was sie wollen, ohne dass der Chef eingreifen darf. Das ist grundsätzlich richtig, wie Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Christoph J. Burgmer erklärt. Aber es gibt Ausnahmen, beispielsweise wenn die fragwürdige Freizeitaktivität ein schlechtes Licht auf den Arbeitgebr wirft, wie im Fall einer schweizer Regierungsangestellten, die sich in Räumen des Bundeshauses nackt ablichten ließ. mehr…

Immer wieder Facebook – Außerordentliche Kündigung nach Veröffentlichung von Patientenbildern

Die Klägerin arbeitete als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin auf der Kinderintensivstation im Krankenhaus der Beklagten. Sie wurde vor Aufnahme ihrer Tätigkeit in dreifacher Hinsicht über ihre Schweigepflicht, u.a. aus § 5 BDSG, belehrt. Auf der Kinderintensivstation wurde auch der am 03.02.2013 geborene und am 09.05.2013 verstorbene G. betreut. Die Klägerin nahm sich seiner besonders an und veröffentlichte Fotografien von sich und ihm auf ihrer Facebook-Seite. Die Arbeitgeberin nahm dies zum Anlass, das Arbeitsverhältnis nach Anhörung der Klägerin außerordentlich, hilfsweise ordentlich, zu kündigen und unterlag in zwei Instanzen, zuletzt vor dem LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.04.2014, 17 Sa 2200/13.

Klägerin stellte Bilder eines Säuglings auf Facebook ein und kommentierte sie

Die Bilder zeigten die Klägerin mit G. gemeinsam oder nur G. allein. Sie waren mit Kommentaren versehen, wie beispielsweise: „So ist Arbeit doch schön“. Nachdem der G. verstorben war, veröffentlichte sie weiter und kommentierte: „Rip kleines Engelchen, flieg schön mit deiner Schwester durch die Wolken und sei ein Schutzengel für die ganzen anderen Pupsis“. Die Zwillingsschwester des G. war nach der Geburt verstorben. Die Mutter des G. hatte sich von ihm losgesagt, der Vater war im Krankenheus nie in Erscheinung getreten. Wer die Fotos auf Facebook sehen konnte, war zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin trug vor, sie habe den Zugriff auf die Bilder auf ihre Familienangehörigen und Arbeitskollegen beschränkt. Andere Facebook-Freunde, ca. 170, hätten die Fotos nicht einsehen können. Die Fotos wurden am 28.05.2013 durch die Klägerin von ihrer Facebook-Seite entfernt.

Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach Anhörung der Klägerin

Die Anhörung durch die Arbeitgeberin fand am 29.05.2013 statt. Die Klägerin äußerte hierbei, dass es ihre Privatsache sei, was sie auf Facebook poste. „Die Eltern des G. kümmerten sich einen Scheiß“, so die Klägerin. Deren Einverständnis zur Veröffentlichung sei deswegen nicht erforderlich gewesen. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 03.06.2013 außerordentlich und einige Tage später fristgemäß. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das LArbG hielten die Kündigung für unwirksam. Insbesondere habe kein wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB vorgelegen. Gleichwohl habe die Klägerin als medizinische Mitarbeiterin der Beklagten gegen ihre Schweigepflicht und ihren Arbeitsvertrag verstoßen. Auch komme die Verwirklichung der Vorschrift des § 203 StGB, Verletzung von Privatgeheimnissen, in Betracht. Die Klägerin habe zwar nach eigener Einlassung den Zugriff auf die Fotos reglementiert, sie habe es aber nicht in der Hand gehabt, ob nicht vielleicht solche Personen die Zugriff hatten, die Fotos ihrerseits weiter veröffentlichen würden. Unter diesem Gesichtspunkt habe theoretisch keine Möglichkeit bestanden, einer weiteren Verbreitung der Bilder entgegenzuwirken. Hierdurch habe sie die Voraussetzungen für eine besonders schwerwiegende Verletzung der Persönlichkeitsrechte des G. geschaffen. Dieser Umstand allein, sei schon geeignet gewesen, eine Kündigung zu rechtfertigen, so das erkennende Gericht.

Kein Eingriff ins Persönlichkeitsrecht des G.

Das Gericht verneinte im konkreten Fall jedoch einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des G. weil dieser auf den Fotos aufgrund der bislang noch wenig ausgeprägten Gesichtszüge nicht individualisieren gewesen sei. Die Bilder zeigten lediglich ein Kind in sehr jungem Alter, das nicht verächtlich gemacht worden sei. Die Kommentare der Klägerin seien vielmehr geeignet gewesen, den unbefangenen Betrachter für den kleinen G. einzunehmen, bzw. Mitleid für ihn zu wecken. Die Motive der Klägerin seien erkennbar nicht unlauter gewesen, so das Gericht, das die Wahrscheinlichkeit der Weiterveröffentlichung der Fotos mit G. durch die Facebook-Freunde der Klägerin auch eher gering einschätzte. Nach alledem sei der Beklagten zuzumuten, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Wegen der Veröffentlichung der Bilder auf Facebook sei der Klägerin im vorliegenden Fall lediglich eine Abmahnung zu erteilen, denn aufgrund der emotionalen Bindung der Klägerin zum kleinen G. sei nicht davon auszugehen, dass sich derartige Vorfälle wiederholten. Eine außerordentliche Kündigung sei in jedem Fall unverhältnismäßig.

Haftung des Arbeitgebers für Posting eines Mitarbeiters auf Facebook

Der Mitarbeiter eines Autohauses stellte auf seiner privaten Facebook-Seite ein Aktionsangebot seines Arbeitgebers ein und versah es mit einem Handy-Foto, sowie mit seiner dienstlichen Rufnummer für Rückfragen. Das Autohaus wusste nichts vom Übereifer seines Mitarbeiters und wurde von einer Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs wegen wettbewerbswidriger Werbung auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Zurechnung der Handlung des Mitarbeiters über § 8 Abs. 2 UWG

Der Mitarbeiter trug vor, den Eintrag auf seiner Facebook-Seite aus eigenem Interesse und privat für seine Freunde eingestellt zu haben, er sei nicht für die Öffentlichkeit sichtbar und auch nicht für diese bestimmt gewesen. Das Landgericht Freiburg stellte in seinem Urteil vom 04.11.2013, 12 O 83/13, dennoch fest, dass dies eine wettbewerbswidrige Handlung gewesen sei, welche der Autohausbetreiberin zugerechnet werden müsse. Die Bewerbung der Aktion sei keine private, sondern eine geschäftliche Handlung gewesen, wofür die Bebilderung des Postings mit einem Fahrzeug aus dem Ausstellungsraum spreche. Dieser geschäftliche Charakter werde außerdem durch die Bekanntgabe der dienstlichen Rufnummer des Mitarbeiters in der Anzeige getragen. Vor diesem Hintergrund gehe es um die Förderung des Warenabsatzes des Autohauses, in das der Mitarbeiter eingegliedert sei. Hierin liege keine bloß private Betätigung via Facebook, sondern ein Wettbewerbsverstoß, der dem Betriebsinhaber über die Vorschrift des § 8 Abs. 2 UWG zuzurechnen sei. Es handele sich dabei um eine Erfolgshaftung ohne Entlastungsmöglichkeit, wonach der Betriebsinhaber auch für die ohne sein Wissen und gegen seinen Willen begangenen Wettbewerbsverstöße seines Mitarbeiters hafte.

Gefälligkeits-Entscheidung des BGH

Der BGH verneinte in seinem Urteil aus dem Jahre 2007 eine Zurechenbarkeit der Handlungen des Mitarbeiters auf den Arbeitgeber nach § 8 Abs. 2 UWG, wenn sich diese allein im privaten Bereich abspielten. Eine Zurechnung solle selbst dann nicht erfolgen, wenn die Tätigkeit ihrer Art nach zur Unternehmenstätigkeit gehöre. Das Landgericht bezog das Urteil des Bundesgerichtshofs in seine Entscheidung ein, befand es aber letztlich für nicht einschlägig, da die Handlungen des Mitarbeiters sich vorliegend gerade nicht im rein privaten Bereich erschöpften. Es blieb also bei der Zurechnung des Wettbewerbsverstoßes auf den Arbeitgeber, der das Posting weder veranlasst, noch Kenntnis davon hatte.

Kündigung wegen Beleidigung eines Vorgesetzten auf Facebook

Ein Arbeitnehmer darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass beleidigende Äußerungen über Vorgesetzte und Kollegen in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen nicht nach außen getragen werden. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Beleidigungen auf die Pinnwand von „Facebook“ gepostet werden, auf die auch betriebsangehörige „Freunde“ Zugriff haben.

Beleidigungen auf Facebook können einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 BGB darstellen

Das Arbeitsgericht Hagen (Westfalen), Urteil v. 16.05.2012 – 3 Ca 2597/11, stellte fest, dass Beleidigungen und Bedrohungen auf der Pinnwand bei Facebook einen wichtigen Grund zu einer fristlosen Kündigung i.S.v. § 626 BGB darstellen können. Der Arbeitnehmer hatte ein Profil bei der Internet-Plattform „Facebook“ angelegt. Er führte einen Chat mit einem ehemaligen Arbeitnehmer derselben Firma, innerhalb dessen er seinen unmittelbaren Vorgesetzten massiv beleidigte („faules Schwein“, „Drecksau“ u.ä.). Diese “Unterhaltung” fand “öffentlich” auf der sogenannten Pinnwand des Klägers bei Facebook statt. Sämtliche “Freunde” des Arbeitnehmers hatten Zugriff und wurden dementsprechend über die Kommunikation informiert, also auch die als “Freunde” des Klägers ausgewiesenen Mitarbeiter des Arbeitgebers.

Arbeitnehmer dürfen grundsätzlich auf Privatsphäre vertrauen

Zwar dürfen nach dem Arbeitsgericht Arbeitnehmer grundsätzlich darauf vertrauen, dass beleidigende Äußerungen über Kollegen und Vorgesetzte in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen nicht nach außen getragen werden. Ein Arbeitnehmer sei nicht gehalten von seinem Arbeitgeber und von seinen Kollegen nur positiv zu denken und sich in seiner Privatsphäre ausschließlich positiv über sie zu äußern. Diesen Schutz der Privatsphäre und auch der Meinungsfreiheit könne jedoch nicht der Arbeitnehmer für sich in Anspruch nehmen, der selbst die Vertraulichkeit aufhebe, so dass die Gelegenheit für Dritte, seine Äußerungen wahrzunehmen, ihm zurechenbar wird. Die Kundgabe der beleidigenden Äußerungen sei quasi betriebsöffentlich, vergleichbar einem Aushang am “Schwarzen Brett” im Betrieb erfolgt. Daher könne sich der Arbeitnehmer nicht mehr auf seine Privatsphäre berufen, so dass ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung grundsätzlich gegeben sei.

Interessenabwägung fällt im konkreten Fall zugunsten des Arbeitnehmers aus

Das Gericht war jedoch der Meinung, dass aufgrund des Alters und der langjährigen Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers (über 30 Jahre) die nach § 626 BGB vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers ausfällt. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung sei jedoch wirksam.