Tag Archive for: Schmerzensgeld

BAG zur Ausschlussfrist für Schmerzensgeld nach Mobbing

Die Klägerin hatte die Tankstelle ihrer Eltern bis zur Übernahme durch einen anderen Betreiber geleitet. Ihr neuer Arbeitsvertrag an selber Wirkstätte wurde auf ein Jahr befristet. Er sah eine Ausschlussfrist von drei Monaten für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vor. Die Revisionsführerin erstattete im März 2010 eine Strafanzeige gegen ihren neuen Vorgesetzten wegen Beleidigung und sexueller Nötigung. Im August 2010 klagte sie auf € 5000,00 Schmerzensgeld und blieb in zwei Instanzen erfolglos. Das BAG hingegen gab ihrer Revision mit Urteil vom 26.06.2013, 8 AZR 280/12, statt und verwies zur erneuten Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück.

Klägerin trug erhebliche Verfehlungen ihres Vorgesetzten vor

Die Klägerin ließ sich ein, fast täglich als „doof“, „blöd“ oder „unfähig“ bezeichnet worden zu sein. Der Vorgesetzte habe ihr unterstellt, zu Unrecht Überstunden abgerechnet zu haben. Außerdem habe er sie dazu gezwungen, einer Vorführung des Musikvideos zu dem Titel „Pussy Video“ der Gruppe Rammstein beizuwohnen. Nach einem Überfall auf die Tankstelle hätten sie und andere Mitarbeiter sich anhören müssen, sie seien zu „blöd“ gewesen, den Täter dingfest zu machen. Die Klägerin erkrankte nach einigen Monaten im neuen Job bis zur einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses Ende Mai 2010 durchgehend arbeitsunfähig. Sie erhob Ende August 2010 Klage beim Arbeitsgericht und forderte ein Schmerzensgeld in Höhe von € 5000,00. Die Klage wurde der Beklagten nach Ablauf der Dreimonatsfrist Anfang September zugestellt. Sie forderte Klageabweisung mit der Begründung, die Klägerin habe die arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschlussfrist für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, nicht gewahrt. Die angesprochene Klausel war Bestandteil des Formulararbeitsvertrags und sah eine Frist von drei Monaten zur schriftlichen Erhebung der Ansprüche gegenüber der jeweils anderen Vertragspartei vor.

Kein formularmäßiger Ausschluss der Vorsatzhaftung für einen Erfüllungsgehilfen

Das BAG stellte klar, dass die arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschlussfrist dem geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch nicht entgegenstehe, was das Landesarbeitsgericht bei seiner erneuten Entscheidung in dieser Sache zu berücksichtigen habe. Die Vertragsparteien würden bei der Vereinbarung einer Ausschlussfrist vor allem an laufende Entgeltansprüche, nicht jedoch an vertragliche oder deliktische Ansprüche wegen Personenschäden denken. Gemäß § 202 Abs. 1 BGB könne die Verjährung bei der Haftung für Vorsatz nicht durch Rechtsgeschäft erleichtert oder gar ausgeschlossen werden. Die Vorschrift gelte nicht nur für Verjährungsvereinbarungen, sondern auch für Ausschlussfristen. Hinzu komme die Regelung des § 276 Abs. 3 BGB, die es grundsätzlich verbiete, dem Schuldner die Haftung wegen Vorsatzes im Vorhinein zu erlassen. Die im Formulararbeitsvertrag enthaltene Ausschlussklausel sei im Lichte der vorgenannten Vorschriften auszulegen, wonach eine Anwendung auch auf die Fälle, die durch zwingende gesetzliche Verbote und Gebote erfasst seien, regelmäßig gerade nicht von den Vertragsparteien gewollt sei.

Begriff der betrieblichen Tätigkeit im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung nach SGB VII

Das LArbG Frankfurt hat sich in seinem Urteil vom 20.08.2013, 13 Sa 269/13, mit der Frage beschäftigt, ob das Werfen mit einem zehn Gramm schweren Wuchtgewicht in einer Autowerkstatt, das einen Kollegen schwer am Auge trifft, noch eine betriebliche Tätigkeit im Sinne des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII darstellt. Die betriebliche Tätigkeit wurde verneint, so dass ein Schmerzensgeldanspruch als „Verpflichtung aus anderen gesetzlichen Vorschriften“ nach SGB VII nicht ausgeschlossen war.

Kläger forderte Schmerzensgeld und einen monatlichen Schmerzensgeldrentenanspruch

Es besteht höchstrichterlich Einigkeit, dass der Begriff der betrieblichen Tätigkeit im Sinne von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII zwar weit auszulegen ist, jedoch dort aufhört, wo bei objektiver Betrachtungsweise, unter Beachtung der Verkehrsüblichkeit, eine Handlung nicht mehr typisch ist für die betrieblichen Abläufe, sondern vielmehr als „Exzess“ außerhalb des Betriebsinteresses steht. Der Kläger behauptete, der Beklagte habe das Gewicht vorsätzlich geworfen, um ihn zu verletzen. Wäre dies zur Überzeugung des Gerichts zu beweisen gewesen, hätte ein weiteres Einfalltor ins Zivilrecht vorgelegen, um Schmerzensgeld beanspruchen zu können. Das LArbG verneinte jedoch die vorsätzliche Schädigung aufgrund des konkreten Geschehensablaufs, so dass es einzig auf das Merkmal der „betrieblichen Tätigkeit“ ankam. Dass diese überschritten wurde, sei im vorliegenden Fall besonders deutlich geworden. Es habe sich bei dem Wurf nämlich um eine Exzesshandlung jenseits der Betriebsüblichkeit gehandelt, so das LArbG, das einen monatlichen Schmerzensgeldrentenanspruch verneinte. Es sei wohl nicht zu erwarten, dass der Kläger ständig mit die Lebensführung beeinträchtigenden Schmerzen werde leben müssen. Gleichwohl habe er Anspruch auf ein einmaliges Schmerzensgeld in Höhe von € 25.000, denn die zugefügte Verletzung am Auge sei schwerwiegend. Das könne schon daraus geschlossen werden, dass sich der Kläger mehreren operativen Eingriffen unterziehen musste. Es verbleibe überdies auch eine dauerhafte Beeinträchtigung der optischen Wahrnehmungsfähigkeit, so dass das Schmerzensgeld auch der Höhe nach angemessen sei.

Schmerzensgeldanspruch und gesetzliche Unfallversicherung stehen ausnahmsweise nebeneinander

Der unmittelbar erlittene Personenschaden wurde zwar von der gesetzlichen Unfallversicherung abgedeckt, so dass der Kläger nicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schädigers angewiesen war, was beispielsweise Heilbehandlungskosten betraf. Daneben griff jedoch wegen der fehlenden betrieblichen Tätigkeit das Haftungsprivileg des § 105 Abs. 1 S.2 SGB VII zugunsten des beklagten Schädigers nicht ein. Er musste Ersatz für erlittene immaterielle Schäden leisten, namentlich Schmerzensgeld zahlen, worin die Besonderheit des Falles lag. Das LArbG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wurde eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, so dass sich gegebenenfalls auch das BAG mit dem Fall auseinandersetzen wird.

Kein Schmerzensgeld für Mitwirkung in Firmenvideo nach Ausscheiden aus dem Betrieb

Der Arbeitnehmer hatte eine Einverständniserklärung zur Verwendung von Ablichtungen seiner Person in einem Firmenvideo seines Arbeitgebers unterzeichnet. Er forderte acht Monate nachdem er den Betrieb verlassen hatte, Schmerzensgeld für die Weiterverwendung und klagte zusätzlich auf Unterlassung einer weiteren Veröffentlichung des Werbefilms auf der Firmenwebsite. Das Arbeitsgericht gab seiner Klage statt, das LArbG Mainz hingegen gab dem Arbeitgeber im Berufungsverfahren Recht, Urteil vom 08.05.2013, 8 Sa 30/13, und erlaubte die weitere Verwendung des Firmenvideos.

Wirksame Einwilligung in die Verwendung der Aufnahmen nach § 22 KUG

Der Kläger behauptete, die Einwilligung in die Verwendung der Aufnahmen für das Firmenvideo nach dem Ausscheiden wirksam widerrufen zu haben. Der beklagte Arbeitgeber bestritt dies. Es könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das Einverständnis automatisch mit dem Ausscheiden erlösche. Auch sei eine Befristung sui generis für die Dauer der Beschäftigung im Betrieb erkennbar nicht gewollt und deshalb auch nicht vereinbart worden. Das LArbG folgte seiner Auffassung und machte weitere Ausführungen. Der Widerruf der Einwilligung nach § 22 KUG (Kunsturhebergesetz) setze alternativ, neben weiteren Gesichtspunkten, eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts voraus. Diese sei dann anzunehmen, wenn die Aufnahmen nicht nur Illustrations- und Dekorationszwecken dienten, sondern einen Bezug auf die individuelle Persönlichkeit des Klägers enthielten. Der Bezug sei gegeben, wenn der Arbeitgeber die Aufnahmen dazu verwende, bewusst mit der individuellen Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu werben, beispielsweise mit seiner besonderen Fachkompetenz. Er fehle, wenn das Mitarbeiterbild mit jedem anderen, auch unternehmensfremden, austauschbar sei.

Keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im vorliegenden Fall

Der Kläger begründete die behauptete Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts u.a. damit, dass er im Firmenvideo als Teil der Belegschaft dargestellt werde, obwohl das nicht mehr stimme. Dies könne zu Spannungen mit seinem neuen Arbeitgeber führen, da er ja insoweit Werbung für ein Konkurrenzunternehmen betreibe. Tatsächlich war er nur zweimal kurz im Video zu sehen. Einmal am Anfang als Fahrer eines Firmenfahrzeugs, wobei zwischen den Parteien streitig war, ob es sich um den Kläger handelte, und ein weiteres Mal am Ende für ca. zwei Sekunden auf einem Gruppenbild mit dreißig weiteren Mitarbeitern. Das LArbG sah hierin keinen Bezug auf die individuelle Persönlichkeit des Klägers, auch werde nicht explizit mit seiner Person geworben. Vielmehr sei die Aufnahme, handelte es sich um ein einzelnes Bild, letztlich austauschbar, so dass es insgesamt an einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und an einem wirksamen Widerruf nach § 22 KUG der vormals unterzeichneten Einverständniserklärung fehle.