Tag Archive for: Betriebsratswahl

Betriebsratswahl

Betriebsratswahl: Abgabe mehrerer Unterschriftenlisten für einen Wahlvorschlag sowie elektronische Stimmauszählung zulässig

Arbeitnehmer dürfen die für die Zulassung eines Wahlvorschlags erforderlichen Unterschriften auf verschiedenen Listen sammeln, sofern jeder Unterschriftenliste eine Kopie der Vorschlagsliste vorgeheftet ist und eine Zuordung eindeutig möglich ist. Auch eine elektronische Stimmauszählung durch Scanner ist bei Betriebsratswahlen unter bestimmten Bedingungen zulässig. Das hat das Landesarbeitsgericht Hessen entschieden.

Unzulässige Briefwahl

Unzulässige Briefwahl: Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl

Bei der Durchführung von Betriebsratswahlen sind die gesetzlichen Regelungen über Wahlverfahren, Wahlrecht und Wählbarkeit zu beachten. Verstöße dagegen können nach einer Anfechtung zur Auflösung des Betriebsrates führen. So kann z.B. eine unzulässige Briefwahl zu einer Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl führen, wenn nicht auszuschließen ist, dass diese Auswirkungen auf das Wahlergebnis hatte.

betriebsratswahl

Keine Nichtigkeit der Betriebsratswahl

Eine Vielzahl von Verstößen gegen Wahlvorschriften führt nicht zur Nichtigkeit der Betriebsrats-wahl, wenn die einzelnen Verstöße für sich genommen jeweils nicht zur Nichtigkeit führen würden. So soll eine reine summarische Fehlerbetrachtung vermieden werden. Dies entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf.

D'Hondt Verfahren

D’Hondt-Verfahren im Rahmen von Betriebsratswahlen verfassungsgemäß

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer Entscheidung vom 22. November 2017 festgestellt, dass die Anwendung des sogenannten d’Hondt-Verfahrens zur Sitzverteilung nach einer Betriebsratswahl verfassungsgemäß ist.

Kündigungsschutz auch bei fehlerhafter Bekanntgabe des Ergebnisses der Betriebsratswahl

Der Antragsteller wurde im Mai 2014 in ordnungsgemäßer Wahl zum Mitglied des neuen Betriebsrats des Antragsgegners gewählt. Dieser kündigte sein Arbeitsverhältnis einen Tag nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses außerordentlich und fristlos. Der Antragsteller erhielt zudem ein sofortiges Hausverbot, so dass er, obwohl frisch gewähltes Betriebsratsmitglied, seinen Aufgaben als Betriebsrat nicht mehr nachkommen konnte. Er wandte sich daher im einstweiligen Verfügungsverfahren gegen das Hausverbot und die Kündigung und obsiegte vor dem LArbG Hamm, Beschluss vom 23.06.2014, TaBVGa 21/14.

Wahl zum Betriebsratsmitglied war nicht unwirksam

Der Wahlvorstand erklärte die Wahl einige Tage später wegen rechtswidriger Wahlbeeinflussungen für ungültig. Dies sei jedoch, so das erkennende Gericht, ohne eine entsprechende Befugnis erfolgt. Denn auf Basis des § 19 BetrVG seien ausschließlich die Gerichte für Arbeitssachen dazu berufen, eine erfolgte Betriebsratswahl für ungültig zu erklären. Anhand der im Verfahren nur vage gebliebenen Andeutungen seien keine Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der erfolgten Wahl erkennbar. Auch sei das Wahlergebnis nicht deshalb angreifbar, weil es vom Wahlvorstand nicht in der gehörigen Form gemäß den §§ 23 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit 18 Satz 1 und 3 Abs. 4 Satz 1 Wahlordnung bekannt gemacht worden sei. Das Wahlergebnis wurde nur in der Kantine, ca. zehn Meter entfernt vom schwarzen Brett des Betriebsrats, aufgehängt und eben nicht am schwarzen Brett selbst, was das Gericht aber als „unschädlich“ ansah in Hinblick auf die Wirksamkeit der Betriebsratswahl.

Kündigung hätte der Zustimmung des Betriebsrats bedurft

Die Kündigung, welche am nächsten Tag nach der Betriebsratswahl erfolgte, sei offensichtlich unwirksam gewesen, so das Gericht. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung habe der Antragsteller den besonderen Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG besessen, so dass der Antragsgegner (Arbeitgeber) dem Zustimmungserfordernis nach § 103 BetrVG hätte Rechnung tragen müssen. Die kündigungsschutzrechtlich relevante Mitgliedschaft in einem betriebsverfassungsrechtlichen Organ bestehe nämlich bereits ab dem Tag, an dem die Stimmen vom Wahlvorstand betriebsöffentlich ausgezählt worden seien und feststehe, dass der betroffene Adressat der Kündigung eine ausreichende Stimmenzahl erreicht habe. Dies sei vorliegend am Vorabend des Ausspruchs der Kündigung der Fall gewesen, so das Landesarbeitsgericht.

Antragsteller durfte auch wieder den Betrieb betreten

Das LArbG Hamm sprach dem Antragsteller auch das begehrte Zutrittsrecht zu. Es folge aus einer entsprechenden Anwendung des § 78 Satz 1 BetrVG. Der Zweck der Regelung liege darin, die Erfüllung von Betriebsratsaufgaben zu ermöglichen, namentlich durch das dort statuierte Verbot der Behinderung der Arbeit des Betriebsrats. Hiergegen verstoße der Antragsgegner, wenn er dem Antragsteller den Zutritt verwehre. Auch sei die außerordentliche Kündigung offensichtlich unwirksam, so dass dem Antragsteller das Recht zustehe, den Betrieb zu betreten.

Fristwahrung bei Anfechtung einer Betriebsratswahl nur bei hinreichend substantiiertem Sachvortrag

Das LArbG Hamm hat sich jüngst mit der Problematik beschäftigt, dass innerhalb der zweiwöchigen Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 BetrVG zur Anfechtung einer Betriebsratswahl zwar ein Wahlanfechtungsantrag eingereicht wurde, dieser sich aber nicht konkret auf die dort angefochtene Wahl bezog, sondern ohne näheren Sachvortrag wortgleich Rügen aus einer bereits vorher angefochtenen Betriebsratswahl desselben Betriebs übernommen hatte.


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Christoph J. Burgmer kommentiert einen Beschluss des LArbG Hamm vom 31.03.2014, 13 Ta BV 110/10, in juris PR-ArbR 35/2014

Orientierungssatz zur Anmerkung

Die zweiwöchige Frist des § 19 Abs. 2 BetrVG zur Anfechtung einer Betriebsratswahl kann nur durch hinreichend substantiierten Sachvortrag in Hinblick auf die Fehlerhaftigkeit der Wahl gewahrt werden.

A.     Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Im Betrieb der Arbeitgeberin sind 38 Arbeitnehmer dauerhaft beschäftigt. Nachdem zwei Betriebsratsmitglieder zurückgetreten waren, fand am 26.04.2013 die Neuwahl eines Betriebsrats statt. Mit Schriftsatz vom 07.05.2013, beim Arbeitsgericht am Folgetag eingegangen, hat die Arbeitgeberin die Wahl angefochten. Sie stellte den Antrag, festzustellen, dass die Betriebsratswahl im Betrieb der Arbeitgeberin unwirksam sei.

Der Wahlanfechtungsantrag enthielt jedoch ausschließlich solche Punkte, die die Arbeitgeberin bereits in einem vom 09.03.2011 datierenden Schriftsatz an das ArbG Rheine zur Anfechtung der Betriebsratswahl vom 25.02.2011 vorgetragen hatte. Erst in späteren Schriftsätzen vom 16.07. und 16.09.2013, also längst nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Betriebsratswahl und nach Ablauf der Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 BetrVG, erhob die Arbeitgeberin weitere Rügen und beantragte die Einsichtnahme in die Wahlakten.

Das ArbG Rheine hat die Anträge mit Beschluss vom 02.10.2013 zurückgewiesen. Der Wahlanfechtungsantrag sei schon deshalb zurückzuweisen gewesen, weil die Arbeitgeberin nicht innerhalb der Zwei-​Wochen-​Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG spezifische, auf die konkrete Wahl bezogene Anfechtungsgründe vorgebracht habe. Hiergegen wandte sich die Arbeitgeberin mit der Beschwerde und beantragte, den Beschluss des ArbG Rheine für unwirksam zu erklären. Überdies beantragte sie, den Betriebsrat zu verpflichten, der Arbeitgeberin Einsicht in die Wahlakten zur Betriebsratswahl vom 26.04.2013 zu gewähren. Der Betriebsrat beantragte, unter Anknüpfung an sein erstinstanzliches Vorbringen, die Beschwerde zurückzuweisen.

Das LArbG Hamm führte aus, die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin sei in vollem Umfang unbegründet und wies die Anträge der Arbeitgeberin zurück. Nach zutreffender Rechtsprechung des BAG müsse der Antragsteller, der sich gegen die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl wende, bereits innerhalb der zweiwöchigen Anfechtungsfrist einen betriebsverfassungsrechtlich erheblichen Tatbestand unterbreiten, der seiner Ansicht nach das Begehren rechtfertige. Denn ließe man später ein erstmaliges Vorbringen konkreter Gründe zu, so würde dies im Ergebnis auf eine unzulässige Verlängerung der Wahlanfechtungsfrist für eine unübersehbare Zeit hinauslaufen. Der Wahlanfechtungsantrag der Arbeitgeberin vom 26.04.2013 werde der zuvor aufgestellten Anforderung nicht gerecht, weil er wörtlich mit einem Wahlanfechtungsantrag der Arbeitgeberin aus dem Jahr 2011 übereinstimme. Es sei somit offensichtlich zu Tage getreten, dass gegen die streitgegenständliche Betriebsratswahl lediglich abstrakte Einwände ohne Bezugnahme auf das konkrete Geschehen erhoben worden seien. Aufgrund des so eingetretenen Ablaufs der Wahlanfechtungsfrist sei es auch nicht mehr erforderlich, die Betriebsratswahl auf ihre Ordnungsgemäßheit zu überprüfen.

Hinsichtlich des Antrags auf Einsichtnahme in die Wahlunterlagen führte das LArbG Hamm aus, dass dieser schon deshalb zurückzuweisen gewesen sei, weil es sich um einen sog. „Globalantrag“ gehandelt habe. Dieser Globalantrag sei dadurch charakterisiert, dass er Konstellationen (mit-​)umfasse, die das Begehren nicht rechtfertigten. Richtigerweise hätte die Arbeitgeberin beantragen müssen, Einsicht nur in solche Teile der Wahlakten zu erhalten, aus denen kein Rückschluss auf das Wahlverhalten einzelner Arbeitnehmer hätte gezogen werden können.

B.     Kontext der Entscheidung

Die Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist eine Ausschlussfrist, nach deren Ablauf das Anfechtungsrecht erlischt, so dass von diesem Zeitpunkt an die Wahl unanfechtbar wird, auch wenn das Wahlverfahren an wesentlichen Mängeln gelitten hat (Fitting, BetrVG, 27. Aufl., § 19 Rn. 36). Das BAG hat hierzu bereits in einer frühen Entscheidung ausgeführt: Eine solche Anfechtung hat innerhalb der hierfür vorgesehenen Frist von zwei Wochen (§ 19 Abs. 2 BetrVG) zu erfolgen. Fehlt es an einer Anfechtung oder ist diese nicht fristgerecht erfolgt, so ist der in Verkennung des Betriebsbegriffes gewählte Betriebsrat für die Dauer seiner Amtszeit das rechtmäßig fungierende betriebsverfassungsrechtliche Vertretungsorgan (BAG, Urt. v. 26.10.1979 – 7 AZR 752/77 Rn. 21). Das LArbG Hamm ist also auf einer Linie mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wenn es ausführt, dass die Betriebsratswahl vom April 2013 nicht mehr auf ihre Ordnungsgemäßheit zu prüfen sei. Da es sich um eine Ausschlussfrist handelte, konnte sie nicht verlängert werden. Die letzte Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand schied ebenfalls aus, da es keine entsprechende Regelung im BetrVG gibt (Fitting, BetrVG, § 19 Rn. 36). Die Anträge in den Schriftsätzen vom 16.07. und 16.09.2013, die nicht identisch mit denen aus dem Jahr 2011 waren, wären also selbst dann, wenn sie unverschuldet verspätet gestellt worden wären, nicht geeignet gewesen, eine andere Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.

C.     Auswirkungen für die Praxis

Diese Entscheidung mahnt jeden zur Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 2 BetrVG Berechtigten, die Anfechtung innerhalb der Zwei-​Wochen-​Frist mit substantiiertem Sachvortrag zu versehen. Eine redundante oder wenig substantiierte Wahlanfechtungserklärung ist nicht fristwahrend, etwa dergestalt, dass man zunächst einmal die Möglichkeit zur Anfechtung gewahrt hat und später eine Begründung „nachschiebt“. Das ArbG Rheine und auch das LArbG Hamm erteilen dieser Vorgehensweise eine klare Absage. Eine spätere Heilungsmöglichkeit gibt es wegen des Fehlens der Möglichkeit zur Einsetzung in den vorigen Stand nicht.

D.     Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Das LArbG Hamm greift die Rechtsprechung des BAG erneut auf, wenn es sich dazu äußert, dass der Antrag auf Einsicht in die Wahlakten aus der Betriebsratswahl vom April 2013 als „Globalantrag“ unbegründet ist. Aus § 19 WO ergibt sich zwar grundsätzlich ein Anspruch des Arbeitgebers auf Einsichtnahme in die vom Betriebsrat aufbewahrten Wahlakten der Betriebsratswahl, ohne dass es der Geltendmachung eines besonderen rechtlichen Interesses oder der Darlegung von Anhaltspunkten für das Bestehen von Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründen bedarf. Das, so das BAG (Beschl. v. 27.07.2005 – 7 ABR 54/04), gelte aber nicht für die Bestandteile der Wahlakten, die Aufschluss über das Wahlverhalten einzelner wahlberechtigter Arbeitnehmer geben können. Begehre der Arbeitgeber Einsichtnahme auch in diese Schriftstücke, müsse er Umstände darlegen, aus denen sich ergebe, dass die Kenntnis auch dieser Unterlagen zur Prüfung oder Ordnungsmäßigkeit der Wahl erforderlich sei.

Entsprechende Anträge sind vor diesem Hintergrund also sorgfältig zu formulieren, wenn der Antragsteller nicht Gefahr laufen will, dass sein Anliegen als unbegründet zurückgewiesen wird. Das ist umso prekärer, wenn er, wie im vorliegenden Fall, nicht wenigstens einen entsprechenden Hilfsantrag formuliert hat.

Reichweite des Auskunftsrechts für Wahlvorstand bei möglicher Nichtigkeit der Wahl

Das LArbG Hamm hatte im Rahmen eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung über den Antrag eines Wahlvorstandes zu entscheiden, ihm eine Liste der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Inzident musste dabei überprüft werden, ob eine nichtige Wahl beabsichtigt war, weil der Arbeitgeber behauptete, der Wahlvorstand habe den Betriebsbegriff verkannt, und daher sei der Antrag unzulässig.


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Christoph J. Burgmer kommentiert einen Beschluss des LArbG Hamm 04.04.2014, 13 TaBVGa 9/14, in juris PR-ArbR 28/2014

Orientierungssatz zur Anmerkung

Ein Antrag eines Wahlvorstandes, ihm im Rahmen eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eine Liste der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WO zur Verfügung zu stellen, ist in dem Umfang abzuweisen, wie die Wahl des Betriebsrates voraussichtlich nichtig sein würde. Ein solcher Antrag ist auf die betrieblichen Einheiten zu beschränken, bei denen grobe und offensichtliche Fehler, die zur Nichtigkeit der Wahl führen würden, nicht erkennbar sind.

A.     Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Arbeitgeber ist ein gemeinnütziger, karitativ tätiger Verein mit insgesamt rund 2.000 Arbeitnehmern. Er bietet unterschiedliche Leistungen im Bereich der Eingliederungshilfe sowie der Jugendhilfe in mehr als 40 überregional verteilten Einrichtungsverbünden an, die auf das nördliche und südliche Westfalen sowie das Ruhrgebiet verteilt sind. Der Arbeitgeber hat die „Betriebsführung und Verwaltung der Einrichtungen“ auf drei als gGmbHs ausgegründete Tochtergesellschaften übertragen, getrennt nach drei Regionen Westfalen-​Nord, Westfalen-​Süd und Ruhrgebiet. Die gGmbHs stehen den regional zugeordneten Einrichtungsverbünden und den ihnen zugeordneten Häusern und Diensten vor. Jeder Einrichtungsverbund wird jeweils von einem Einrichtungsleiter geleitet. In den abgeschlossenen sog. Anschluss-​Betriebsführungsverträgen heißt es unter § 3 „Arbeits- und Dienstverhältnisse“:

„1. … Neuabschlüsse und Änderungen von Arbeitsverträgen mit Arbeitnehmern der Einrichtungen erfolgen durch die GmbH im Namen und für Rechnung des e.V.,

2. Zum Zwecke der Betriebsführung übernimmt die GmbH in Vertretung des e.V. gegenüber den in den Einrichtungen tätigen Mitarbeitern Arbeitgeberfunktion wahr mit disziplinarischem und fachlichem Weisungsrecht. ( … ).“

Die Geschäftsführer der jeweils mit der Betriebsführung beauftragten gGmbHs haben allen Einrichtungsleitern schriftlich Vollmachten namentlich für die Durchführung mitbestimmungsrechtlicher und personeller Maßnahmen erteilt.

Auf einer Betriebsversammlung am 29.01.2014 „für die Wahl eines Wahlvorstandes zur Durchführung der Betriebsratswahl im Geschäftsbereich Westfalen-​Süd“ wurde in Anwesenheit von über 100 Arbeitnehmern ein Wahlvorstand für die Region Westfalen-​Süd gewählt.

Der gewählte Wahlvorstand verfolgt im vorliegenden Verfahren das Ziel, vom Arbeitgeber die für die Ausfertigung der Wählerliste erforderlichen Auskünfte zu erhalten, da er die Region Westfalen-​Süd als betriebliche Einheit wahrnimmt. Für sie bestehe eine Gebietsleitung, deren Mitglieder in Personalunion auch Geschäftsführer der entsprechenden gGmbH seien und die Betriebsführungsverantwortung für die gesamte Region wahrnehmen würden.

Der Wahlvorstand hat beantragt, den Arbeitgeber zu verpflichten, ihm eine Wählerliste für die Einrichtungen seiner Region Westfalen-​Süd in Papierform zur Verfügung zu stellen. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21.02.2014 dem Antrag des Wahlvorstandes stattgegeben.

Der Arbeitgeber vertrat die Auffassung, es sei ersichtlich eine nichtige Wahl beabsichtigt. So liege offensichtlich eine Verkennung des Betriebsbegriffs vor. Alle betriebsverfassungsrechtlich relevanten Entscheidungen würden nämlich selbstständig von den Einrichtungsleitern getroffen, so dass dort für die einzelnen Betriebe ein Betriebsrat zu wählen sei; im Übrigen müssten die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG beachtet werden. In der Beschwerdeinstanz vertrat der Arbeitgeber weiterhin die Ansicht, es bestehe keine Auskunftspflicht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WO, da das begonnene Verfahren auf eine nichtige Wahl ausgerichtet sei. So seien inzwischen in bestimmten Einrichtungen des Geschäftsbereichs Westfalen-​Süd zwei Betriebsräte und ein weiterer Wahlvorstand gebildet worden, so dass die Wahl des beabsichtigten „Regionalbetriebsrates“ rechtlich nicht mehr möglich sei.

Das LArbG Hamm hat die Beschwerde des Arbeitgebers nur zum Teil als begründet angesehen. Nach der in Bezug genommenen Rechtsprechung des BAG (Beschl. v. 27.07.2011 – 7 ABR 61/10 – AP Nr 2 zu § 16 BetrVG 1972) dürfe ein Verfahren zur Ermöglichung der Wahl eines Betriebsrats, wozu namentlich auch die Erteilung von Auskünften im Rahmen des § 2 Abs. 1 Satz 1 WO gehört, nur bei einer zu erwartenden Nichtigkeit der Wahl abgebrochen werden. Voraussetzung dafür sei, dass offensichtlich gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen werde, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr bestehe. Davon sei hier insoweit auszugehen, soweit sich das Verfahren zur Wahl eines einheitlichen Betriebsrates für den Bereich Westfalen-​Süd auch auf die beiden Organisationseinheiten beziehe, in denen zwischenzeitlich Betriebsräte gewählt wurden. Da dort zwei rechtmäßig gebildete Betriebsräte existierten, dürfte für deren Zuständigkeitsbereiche keine weitere Betriebsvertretung gewählt werden. Daraus resultiere als notwendige Rechtsfolge, dass die angestrebte regionalweite Wahl eines einheitlichen Betriebsrates insoweit als nichtig einzustufen sei, sofern sie auch die beiden genannten Teilbereiche erfasse. Nur so könne nämlich das gleichzeitige Bestehen mehrerer Betriebsräte mit den damit verbundenen Unklarheiten für die Wahrnehmung bestehender Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte verhindert werden (vgl. BAG, Beschl. v. 11.04.1978 – 6 ABR 22/77 – AP Nr 8 zu § 19 BetrVG 1972; LArbG Hamm, Beschl. v. 17.08.2007 – 10 TaBV 37/07; LArbG Hannover, Beschl. v. 02.12.2011 – 6 TaBV 29/11). Daher sei der Antrag bezogen auf die Teilbereiche, in denen bereits Betriebsräte gebildet worden seien, wegen Nichtigkeit abzuweisen.

Im Übrigen seien keine offensichtlichen und zugleich besonders groben Verstöße gegen bestehende Wahlvorschriften ersichtlich. So sei gegebenenfalls in einem Anfechtungsverfahren zu klären, welche Bedeutung es für den Bestand und die Zuständigkeit des antragstellenden Wahlvorstandes habe, dass nach dessen am 29.01.2014 erfolgter Wahl für die gesamte Region Westfalen-​Süd in der Folgezeit für zwei Teilbereiche dieser Region Betriebsratswahlen durchgeführt wurden, die nicht angefochten wurden. Entsprechendes gelte auch für die Etablierung des Wahlvorstandes, dessen Wahl noch nach Erlass der Entscheidung erster Instanz erfolgen konnte, ohne den unmittelbar bevorstehenden abschließenden Beschluss der erkennenden Kammer abzuwarten. Schließlich habe auch eine mögliche Verkennung des Begriffs der betriebsratsfähigen Organisationseinheit im Rahmen der Bestimmungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG und § 4 Abs. 1 BetrVG keine Nichtigkeit der angestrebten Betriebsratswahl zur Folge (vgl. BAG, Beschl. v. 27.07.2011 – 7 ABR 61/10 – AP Nr 2 zu § 16 BetrVG 1972). Denn dabei sei eine Vielzahl von Gesichtspunkten des jeweiligen Einzelfalls zu beachten. Komme es insoweit zu Fehlern, seien diese regelmäßig nicht derart grob und offensichtlich, dass der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr bestehe. Daher sei der Arbeitgeber verpflichtet, die verlangten Auskünfte für die Region Westfalen-​Süd mit Ausnahme der Einheiten zu erteilen, in denen bereits Betriebsräte gewählt worden sind.

B.     Kontext der Entscheidung

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WO hat der Wahlvorstand für jede Betriebsratswahl eine Liste der Wahlberechtigten (Wählerliste), getrennt nach den Geschlechtern, aufzustellen. Hierzu hat der Arbeitgeber gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 WO dem Wahlvorstand alle für die Anfertigung der Wählerliste erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Soweit eine geplante Wahl nichtig wäre, können auch darauf gerichtete Auskunftsansprüche nicht wirksam durchgesetzt werden. Insoweit musste das LArbG Hamm die Frage der Nichtigkeit der Wahl als Vorfrage klären.

Die Beurteilung der Vorfrage der Nichtigkeit der Wahl reiht sich die 13. Kammer des LArbG Hamm in die ständige Spruchpraxis der Landesarbeitsgerichte ein, wonach eine Wahl nur dann im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens als nichtig angesehen werden kann, wenn der Rechtsverstoß, hier die Verkennung des Betriebsbegriffs, grob und evident ist, sozusagen auf der Hand liegt. Ist dies nicht der Fall, muss die Frage in das Anfechtungsverfahren verlagert und dort beantwortet werden. In einem solchen Fall ist der Auskunftsanspruch des Wahlvorstandes begründet und kann im einstweiligen Verfügungsverfahren durchgesetzt werden. Zu Recht erkennt das LArbG Hamm, dass dort, wo ein Betriebsrat bereits gebildet und dessen Wahl nicht angefochten worden ist, die Wahl eines weiteren Betriebsrats unzulässig ist (BAG, Beschl. v. 11.04.1978 – 6 ABR 22/77; LArbG Hamm, Beschl. v. 14.03.2005 – 10 TaBV 31/05). Wahlhandlungen, die auf die Wahl eines konkurrierenden Betriebsrates gerichtet sind, sind unzulässig. Eine solche Wahl wäre wegen grober Verkennung des Betriebsbegriffs als nichtig einzustufen. Diese Frage kann auch im einstweiligen Verfügungsverfahren beantwortet und muss nicht in ein Anfechtungsverfahren verlagert werden.

Die 13. Kammer des LArbG Hamm hat daher im ersten Schritt basierend auf diesen Grundsätzen erkannt, dass die beabsichtigte Wahl in der Region Westfalen-​Süd grob fehlerhaft wäre, weil dort für zwei betriebliche Einheiten Betriebsräte gewählt sind und deren Wahl nicht angefochten worden ist. Im zweiten Schritt hat es den Antrag des Wahlvorstandes auf Auskunft auf die betrieblichen Einheiten beschränkt, in denen noch keine Betriebsratswahl durchgeführt worden war. Für die verbleibenden Bereiche könne die begehrte Auskunft erteilt werden, da insoweit eine beabsichtigte Wahl nicht nichtig wäre. Für die Bereiche, in denen Betriebsräte gewählt seien, sei der Auskunftsanspruch unbegründet, da eine diese Einheiten erfassende Wahl des Betriebsrates nichtig sei.

Dieser Beschluss korrespondiert mit der Entscheidung des LArbG Hamm vom gleichen Tage (13 TaBVGa 8/14), in der es den Antrag des Arbeitgebers, das eingeleitete Verfahren zur Durchführung der Wahl eines einheitlichen Betriebsrats in der Region Westfalen-​Süd abzubrechen und nicht fortzuführen und jede weitere Handlung zu unterlassen, die auf die Durchführung der Betriebsratswahl eines einheitlichen Betriebsrats in der Region Westfalen-​Süd innerhalb des Sozialwerks St. H e.V. gerichtet ist, im Wesentlichen abgewiesen und dem Wahlvorstand aufgegeben hat, soweit sich das Wahlverfahren auch auf die Teilbereiche bezieht, in denen bereits Betriebsräte gewählt und ein Wahlvorstand gebildet worden ist, es wegen Nichtigkeit abzubrechen. Im Übrigen lägen aber keine Gründe für ein Unterlassen weiterer Handlungen zur Fortführung des begonnenen Wahlverfahrens vor.

Die Entscheidung lässt indes eine Auseinandersetzung mit der Frage vermissen, ob und in welchem Umfang das Gericht im einstweiligen Verfügungsverfahren den Antrag des antragstellenden Wahlvorstandes abändern darf. Der Wahlvorstand war für die Durchführung der Wahl des Betriebsrates für den Betrieb Region Westfalen-​Süd gebildet und wollte mit seinem Antrag die hierfür erforderliche Auskunft sicherstellen. Die Wahl sollte nicht für einen anderen oder verkleinerten Betrieb durchgeführt werden. Sein Ziel kann der Wahlvorstand nicht mehr erreichen, weil ihm keine vollständige Wählerliste der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Region Westfalen-​Süd zur Verfügung gestellt werden muss. Die für den Betrieb der Region Westfalen-​Süd geplante Wahl müsste folgerichtig abgebrochen und für einen (verkleinerten) anderen Betrieb neu eingeleitet werden.

Im Lichte dieser materiellen Rechtslage hätte die 13. Kammer des LArbG Hamm prüfen müssen, wie mit dem vom Wahlvorstand gestellten Sachantrag umzugehen war. Ungeachtet des in § 938 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessens ist ein Gericht nicht gänzlich frei in der Wahl, mit welchen Maßnahmen es dem erkennbaren Rechtsschutzziel Geltung verschafft (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, § 938 Rn. 2, m.w.N.). Das Ermessen wird durch den auch im einstweiligen Verfügungsverfahren geltenden Antragsgrundsatz (vgl. § 308 Abs. 1 ZPO) beschränkt mit der Folge, dass dem Antragsteller nur das Beantragte oder ein Weniger (sog. minus) zugesprochen werden kann, nicht aber ein Anderes (sog. aliud) oder ein Mehr (vgl. LArbG Erfurt, Beschl. v. 10.04.2001 – 5 Sa 403/2000 Rn. 95). Die Grenze dürfte dann überschritten sein, wenn der Arbeitgeber statt zu einer Auskunft über die Wählerliste des Betriebes Region Westfalen-​Süd zur Auskunft über eine Wählerliste eines nicht wesensgleichen verkleinerten oder eines anderen Betriebs verpflichtet wird, auch wenn der zuerkannte Teil der Liste eine Teilmenge der ursprünglich beantragten Liste darstellt. Denn mit dieser Liste kann der Wahlvorstand sein Ziel, die Wahl im Betrieb Region Westfalen-​Süd, nicht (mehr) erreichen. Ein Betrieb, der weniger betriebliche Einheiten umfasst, ist kein minus, sondern ein aliud. Folglich ist auch eine Wählerliste, die betriebliche Einheiten entgegen dem gestellten Antrag ausnimmt, ein aliud und kein minus. Eine schlichte Beschränkung des Auskunftsanspruchs ist deshalb prozessual bedenklich.

C.     Auswirkungen für die Praxis

Diese Entscheidung führt die ständige Rechtsprechung fort: Soweit die beabsichtigte Wahl den groben und evidenten Rechtsverstoß nicht „auf der Stirn“ trägt, kann eine Wahl durchgeführt werden. Etwaige Rechtsfragen müssen dann im nachfolgenden Wahlanfechtungsverfahren geklärt werden. Neu ist: Beantragt der Wahlvorstand eine Wahlhandlung, hier ein Auskunftsverlangen, das nur teilweise auf eine nichtige Wahl ausgerichtet ist, so soll das Gericht bei Erlass einer einstweiligen Verfügung auf das zulässige Maß reduzieren dürfen.

Arbeitgeber oder sonstige Beteiligte, die mit der Einschätzung eines Wahlvorstandes über die Betriebsratsfähigkeit einer betrieblichen (Teil-​)Einheit nicht einverstanden sind, sind gehalten, jede durchgeführte Wahl des Betriebsrates anzufechten, die innerhalb der vom Arbeitgeber als Betrieb qualifizierten betrieblichen Einheit erfolgt ist. Nur dann, wenn jede Wahl angefochten ist, kann am Ende der Weg für die spätere rechtliche Beurteilung der Betriebsratsfähigkeit der gesamten betrieblichen Einheit offengehalten werden (BAG, Beschl. v. 14.11.2001 – 7 ABR 40/00).

D.     Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Nach § 83 Abs. 3 ArbGG sind alle diejenigen Stellen zu hören, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen sind (zuletzt BAG, Beschl. v. 10.12.2013 – 1 ABR 43/12). Deshalb waren hier neben dem antragstellenden Wahlvorstand und dem Arbeitgeber die bereits gewählten Betriebsräte sowie der für einen weiteren Betrieb gebildete Wahlvorstand zu beteiligen, weil sich aus der begehrten gerichtlichen Entscheidung, die sich auf die gesamte Region Westfalen-​Süd bezieht, unmittelbar auch Konsequenzen für die von den drei betriebsverfassungsrechtlichen Organen reklamierten Zuständigkeiten für Teilbereiche der genannten Region hätten ergeben können.

Betriebsratswahl 2014: “Gut gestartet” – Einsetzen des Wahlvorstands und rechtssicheres Vorgehen

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Christoph J. Burgmer in AiB 10/2013

Hier lesen Sie:
-Welche Aufgaben BetrVG und Wahlordnung dem Wahlvorstand zuweisen
-Wer den Wahlvorstand bestellen oder wählen lassen kann
-Wie die Mitglieder vor Sanktionen des Arbeitgebers geschützt sind


Hier geht es zum Beitrag

Vorzeitige Beendigung des Betriebsratsamtes

Die umfangreiche Entscheidung beschäftigt sich mit der Rechtsfrage der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats im Falle der vorzeitigen Niederlegung/Beendigung von Betriebsratsämtern und den entsprechenden Auswirkungen auf die Anhörungspflicht gemäß § 102 BetrVG im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses.


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Christoph J. Burgmer kommentiert ein Urteil des LArbG Düsseldorf 6. Kammer, vom 15.04.2011 – 6 Sa 857/10 – in juris PraxisReport ArbR 41/2011.

Leitsätze

1. Kündigen sämtliche Betriebsratsmitglieder sowie Ersatzmitglieder ihr Arbeitsverhältnis, so endet das Amt des Betriebsrats selbst. Dies gilt jedoch nicht, wenn sich der Arbeitgeber mit einem der Betriebsratsmitglieder noch vor Ablauf der Kündigungsfrist auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses einigt. In diesem Fall existiert der Betriebsrat – bestehend aus dem einzigen verbliebenen Betriebsratsmitglied – weiter.

2. Kommt der Betriebsrat seiner Verpflichtung zur Durchführung von Neuwahlen gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG nicht nach, obwohl die Zahl der Mitglieder unter die vorgesehene Mindestzahl gesunken ist, so bleibt er dennoch bis zum Ablauf der normalen Amtsperiode im Amt, es sei denn, er wird vorher gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aufgelöst oder es wird gemäß § 16 Abs. 2 BetrVG durch das Arbeitsgericht ein Wahlvorstand bestellt, der eine Neuwahl einleitet.

3. Im Falle einer Mehrheitswahl werden nur diejenigen nichtgewählten Arbeitnehmer Ersatzmitglieder nach § 25 Abs. 2 Satz 3 BetrVG, die bei der Betriebsratswahl mindestens eine Stimme erhalten haben.

4. Erklärt der Betriebsrat die Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers, so ist das Verfahren gemäß § 102 Abs. 1 und 2 BetrVG abgeschlossen. Des Abwartens der Wochen-Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG bedarf es in diesem Fall selbst dann nicht, wenn der die Zustimmung beinhaltende Beschluss des Betriebsrats im Beisein des Arbeitgebers unter irrtümlicher Beteiligung eines Arbeitnehmers erfolgt ist, der bereits aus dem Betriebsrat ausgeschieden war.

5. Zum Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage gehört auch die Frage, ob die Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Kündigungstermin aufgelöst wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist gerügt worden ist.

A. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Wirksamkeit zweier ordentlicher verhaltensbedingter Kündigungen. Der Kläger war bei der Beklagten, einem Gleis- und Tiefbauunternehmen, zunächst als Oberbauleiter mit einer arbeitsvertraglichen Kündigungsfrist von sechs Monaten beschäftigt. Später vereinbarten die Parteien einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten. Im Falle der Abberufung als Geschäftsführer sollten die vertraglichen Bedingungen, die vor der Berufung zum Geschäftsführer bestanden haben, weiter gelten.
Mit Datum vom 09.10.2008 kündigte die Beklagte dem Kläger verhaltensbedingt fristlos, mit Schreiben vom 13.10.2008 hilfsweise fristgerecht. Hiergegen hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben und zwar sowohl bezogen auf das Geschäftsführer-Angestelltenverhältnis als auch auf das Arbeitsverhältnis als Bauleiter (das mit der Sache erstinstanzlich befasste ArbG Düsseldorf hatte später allerdings durch Teil-Urteil rechtskräftig festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigungen vom 09.10. und 13.10.2008 beendet worden ist, so dass diese Kündigungen für das Berufungsverfahren irrelevant waren). Während des noch rechtshängigen Kündigungsrechtsstreits gründete der Kläger ein Konkurrenzunternehmen und warb aktiv Mitarbeiter der Beklagten für sein neu gegründetes Unternehmen. Daraufhin kündigte ein Großteil der Mitarbeiter der Beklagten ihr Arbeitsverhältnis, unter anderem auch sämtliche verbliebenen Betriebsratsmitglieder einschließlich der Ersatzmitglieder, zum 31.10.2008. Zumindest ein Betriebsratsmitglied hat sich, so das Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme, aber noch während der Kündigungsfrist mit der Beklagten dahingehend geeinigt, dass das Arbeitsverhältnis über den Kündigungszeitraum hinweg fortbestehen sollte. Im November 2008, also nach Ablauf der jeweiligen Kündigungsfristen kehrten auch andere Mitarbeiter, darunter der Betriebsratsvorsitzende, zu der Beklagten zurück.
Mit Schreiben vom 13.11.2008 kündigte die Beklagte dem Kläger erneut fristlos, hilfsweise ordentlich, ohne den Betriebsrat zu den Kündigungen anzuhören. Am 04.05.2009 hörte die Beklagte schließlich den Betriebsrat zu der verhaltensbedingten Kündigung an, nannte als Kündigungsgrund u.a. die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit und nannte die Kündigungsfrist aus dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag. Der Betriebsrat stimmte der Kündigung zu, woraufhin die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 05.05.2009 erneut außerordentlich und hilfsweise ordentlich mit einer Frist von drei Monaten kündigte. Gegen die Kündigungen wehrte sich der Kläger jeweils mit einer Klageerweiterung. Mit Teilurteil vom 12.05.2010 hat das Arbeitsgericht festgestellt, die fristlosen Kündigungen vom 13.11.2008 und 05.05.2009 seien jeweils nach § 626 Abs. 2 BGB verfristet. Die ordentliche Kündigung
vom 13.11.2008 sei nach § 102 Abs. 1 BetrVG wegen einer fehlenden Betriebsratsanhörung unwirksam, da sich zu diesem Zeitpunkt zumindest ein Betriebsratsmitglied noch im Amt befunden hat. Allerdings sei die ordentliche Kündigung vom 05.05.2009 wirksam, da der Betriebsrat von den die Kündigung begründenden Tatsachen durch die Beklagte Kenntnis erlangt und daraufhin der Kündigung zugestimmt habe. Die unrichtige Angabe der Kündigungsfrist sei im Rahmen der Anhörung unerheblich. Gegen dieses Teilurteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das LArbG Düsseldorf stützt in weiten Teilen die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts, lediglich in Bezug auf die Berechnung der ordentlichen Kündigungsfrist irre das Arbeitsgericht.
Die Kündigung vom 13.11.2008 sei wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats unwirksam. Da der Kläger nachgewiesen habe, dass sich aufgrund einer Betriebsratswahl ein Betriebsrat konstituiert habe, so sei grundsätzlich von der Verpflichtung zur Anhörung des Betriebsrats vor dem Ausspruch der Kündigung auszugehen. Sinkt die Zahl der Mitglieder unter die vorgesehene Mindestzahl, so seien zwar grundsätzlich nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG Neuwahlen durchzuführen, allerdings führen die verbliebenen Mitglieder des Betriebsrats die Geschäfte bis zum Ablauf der ordentlichen Amtsperiode weiter, soweit es zu keiner Neuwahl oder einer Auflösung unter den Voraussetzungen nach § 23 Abs. 1 BetrVG kommt. Die Amtszeit des Betriebsrats endete auch nicht durch die Eigenkündigung aller Betriebsratsmitglieder i.S.d. § 24 Nr. 3 BetrVG, da im Rahmen der Beweisaufnahme festgestellt wurde, dass sich die Beklagte zumindest mit einem Betriebsratsmitglied bis zum Kündigungszeitpunkt über einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den  Kündigungszeitpunkt hinaus geeinigt hatte. Somit hätte vor der Kündigungserklärung vom 13.11.2008 der Betriebsrat angehört werden müssen; der unstreitige Verstoß gegen die Anhörungspflicht habe die Nichtigkeit gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG zur Folge. Das Arbeitsverhältnis sei aber durch die ordentliche Kündigung vom 05.05.2009 beendet worden, da diese Kündigung aufgrund der Ausübung der Wettbewerbstätigkeit sozial gerechtfertigt gewesen sei. Der Kläger habe durch die Gründung einer Gleis- und Straßenbaufirma eine unmittelbare Konkurrenztätigkeit entfaltet. Eine vorherige Anhörung sei entbehrlich gewesen, da dem Kläger als Oberbauleiter und ehemaligem Geschäftsführer hätte klar sein müssen, dass sein Verhalten nicht hingenommen werden konnte. Die Interessenabwägung wurde aufgrund des massiven Vertrauensbruchs zu Ungunsten des Klägers bewertet. Falsche Angaben über Kündigungsgründe oder die Kündigungsfrist führten nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn sie der subjektiven Vorstellung des  Arbeitgebers entsprachen. Eines Abwartens der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG bedürfe es nicht, wenn zum Kündigungszeitpunkt eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vorlag. Das Arbeitsgericht habe aber zu Unrecht auf die Kündigungsfrist von drei Monaten abgestellt. Bei  richtiger Würdigung sei die Sechs-Monats-Frist aus dem Arbeitsvertrag anzuwenden gewesen, da diese vertraglichen Vereinbarungen im Falle der  Abberufung als Geschäftsführer wieder aufleben sollten.

B. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung fügt sich nahtlos in die ständige BAG-Rechtsprechung ein. Der Betriebsrat bleibt nach der Auffassung des BAG grundsätzlich so lange funktionsfähig, wie auch nur ein Betriebsratsmitglied im Amt ist (BAG, Beschl. v. 12.01.2000 – 7 ABR 61/98 – AP Nr. 5 zu § 24 BetrVG 1972; Stahlhacke/Preis/Vossen in: Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 10. Aufl. 2010, Rn. 294). Wird dieser Betriebsrat z.B. nicht durch einen Antrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG aufgelöst, so bleibt er auch trotz eines Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Einleitung einer Neuwahl bis zum Ablauf der ordentlichen Amtsperiode im Amt (Richardi/Thüsing, BetrVG, 12.Aufl. 2010, § 22 Rn. 8). Das LArbG Düsseldorf schließt sich ferner der Rechtsprechung des BAG dahingehend an, dass ein Betriebsratsmitglied sein Mandat gemäß § 24 Nr. 2 BetrVG jederzeit niederlegen kann (BAG, Beschl. v. 12.01.2000 – 7 ABR 61/98 – AP Nr. 5 zu § 24 BetrVG 1972). Allerdings ist hierbei zu beachten, dass diese Amtsniederlegung nicht gegenüber dem  Arbeitgeber, sondern grundsätzlich gegenüber dem Betriebsrat bzw. dessen Vertreter durch empfangsbedürftige Willenserklärung zu erfolgen hat. Eine Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber ist grundsätzlich unbeachtlich (BAG, Beschl. v. 12.01.2000 – 7 ABR 61/98 – AP Nr. 5 zu § 24 BetrVG 1972). In diesem Falle ist allerdings zu beachten, dass eine Ausnahme dann bestehen kann, wenn der Betriebsrat nur noch aus einem verbliebenen Mitglied besteht (BAG, Beschl. v. 12.01.2000 – 7 ABR 61/98 – AP Nr. 5 zu § 24 BetrVG 1972). Ferner wurde die allgemeine Rechtsprechungsmeinung dahingehend aufgegriffen,  dass sich ein Betriebsratsmitglied durchaus bis zum tatsächlichen Beendigungszeitpunkt mit dem Arbeitgeber auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses (und somit seiner Betriebsratstätigkeit) einigen kann (BAG, Urt. v. 23.01.2002 – 7 AZR 611/00 – AP Nr. 230 zu § 620 BGB Befristeter  Arbeitsvertrag; BAG, Urt. v. 17.02.1983 – 2 AZR 481/81). Die Rechtsprechung sieht somit in der personellen Kontinuität des Betriebsrats ein höchst schützenswertes Interesse mit dem Ziel, die Stetigkeit der Arbeit der jeweiligen Arbeitnehmervertretung zu sichern. Wird ein Betriebsratsmitglied allerdings nach seinem wirksamen Ausscheiden wiedereingestellt (und sei es auch nur unmittelbar nach dem Beendigungszeitpunkt), so kann das einmal erloschene Betriebsratsamt nicht wiederaufleben (BAG, Beschl. v. 10.02.1977 – 2 ABR 80/76 – AP Nr. 9 zu § 103 BetrVG 1972; LArbG Hamm, Urt. v. 14.10.2004 – 4 SA 1102/04 – LAGReport 2005, 182). Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung ist es nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber nach der abschließenden Stellungnahme des Betriebsrats eine Kündigung ausspricht, ohne die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG abzuwarten (BAG, Urt. v. 03.04.2008 – 2 AZR 965/06 – AP Nr. 159 zu § 102 BetrVG 1972; BAG, Urt. v. 06.10.2005 – 2 AZR 316/04 – AP Nr. 150 zu § 102 BetrVG 1972; BAG, Urt. v. 16.01.2003 – 2 AZR 707/01 – AP Nr. 129 zu § 102 BetrVG 1972). Fehler bei der Willensbildung des Betriebsrats (z.B. eine fehlerhafte Besetzung bei der Beschlussfassung) berühren die Ordnungsgemäßheit des Anhörungsverfahrens grundsätzlich nicht (BAG, Urt. v. 24.06.2004 – 2 AZR 461/03 – AP Nr. 22 zu § 620 BGB Kündigungserklärung). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Arbeitgeber den Fehler bei der Willensbildung selbst durch unsachgemäßes Verhalten verursacht hat (BAG, Urt. v. 24.06.2004 – 2 AZR 461/03 – AP Nr. 22 zu § 620 BGB Kündigungserklärung). Abschließend stellt das LArbG Düsseldorf unter Bezugnahme auf die geltende BAG-Rechtsprechung klar, dass zum Streitgegenstand eines Kündigungsschutzprozesses auch die Klärung der Frage gehöre, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin aufgelöst wird (BAG, Urt. v. 13.01.1982 – 7 AZR 757/79 – AP NR. 2 zu § 620 BGB Kündigungserklärung). Wird bemängelt, dass im Anhörungsverfahren die falsche Kündigungsfrist genannt wurde, so habe das Prozessgericht die richtige Kündigungsfrist grundsätzlich zu prüfen.

C. Auswirkungen für die Praxis

Das LArbG Düsseldorf hat mit dieser Entscheidung die Kontinuität eines bereits konstituierten Betriebsrats und die Entscheidungsautonomie der wahlberechtigten Arbeitnehmer im Falle des Absinkens der Betriebsratsmitglieder unter die vorgesehene Mindestzahl, ob im Einzelfall Neuwahlen
nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG durchgeführt werden sollen oder der bestehende unterbesetzte Betriebsrat bestehen bleiben soll, gestärkt. Wird nämlich keine Ersatzbestellung des Wahlvorstands nach § 16 Abs. 2 BetrVG in Betracht gezogen oder und kein Auflösungsantrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG gestellt, so bleibt der Betriebsrat, und sollte er auch lediglich aus einer Person bestehen, bis zum Ablauf seiner Amtsperiode im Amt. Dies bedeutet für den jeweiligen Arbeitgeber, dass er auch den „unterbesetzten“ Betriebsrat als vollfunktionsfähigen Betriebsrat mit allen Rechten und Pflichten anzusehen und entsprechend zu beteiligen hat. Ferner wurde noch einmal herausgestellt, dass an die Wirksamkeit der Anhörung keine allzu großen inhaltlichen Bedingungen geknüpft sind. Es reicht aus, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat seine subjektiven Gründe für die Rechtfertigung der Kündigung mitteilt.

D. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Die Entscheidung setzt sich ferner intensiv mit der Rechtmäßigkeit einer verhaltensbedingten Kündigung wegen Aufnahme einer unmittelbaren Konkurrenztätigkeit auseinander. Das LArbG Düsseldorf stellt unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des BAG fest, dass während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses (also bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, auch bei einvernehmlich vereinbarter Freistellung) einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil des Arbeitgebers untersagt ist (BAG, Urt. v. 28.10.2010 – 2 AZR 293/09 – NZA 2011, 112; BAG, Urt. v. 26.06.2008 – 2 AZR 190/07 – AP Nr. 213 zu § 626 BGB) und ein Verstoß gegen dieses Gebot einen massiven Vertrauensbruch darstellen kann, der eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen imstande ist. Hierbei ist grundsätzlich eine Prüfung der Gesamtumstände und eine darauf basierende abschließende Interessenabwägung vorzunehmen. Im vorliegenden Fall wurde die  Aufnahme einer unmittelbaren Konkurrenztätigkeit bejaht, da der Kläger eine Firma in derselben Branche gegründet hat. Aufgrund seiner Stellung als Oberbauleiter und zugleich Geschäftsführer und der damit  verbundenen Kenntnis der Materie und Marktlage hat das Landesarbeitsgericht sogar das Erfordernis einer vorherigen Abmahnung verneint. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund seiner Abmahnung sein Verhalten geändert hätte.
Auch im Rahmen der Interessenabwägung hat das Landesarbeitsgericht einen strengen Maßstab angelegt. Trotz einer hohen Zahl an Unterhaltspflichten (drei Kinder) und seines vorgerückten Alters (50 Jahre) sei der Vertrauensverstoß durch die Aufnahme der unmittelbaren Konkurrenztätigkeit derart massiv, dass der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden könne. Dieses Urteil sollte somit die Sensibilität  ausgeschiedener Mitarbeiter in Bezug auf die Aufnahme von Konkurrenztätigkeiten steigern.