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Reform der Leiharbeit - Christoph J. Burgmer zu Gast im ZDF

Ein Rechtsbeitrag von Rechtsanwalt und Fachanwalt Christoph J. Burgmer

Nochmals grundsätzlich zur Leiharbeit. Was ist das für ein Konstrukt?

Die Leiharbeit, bzw. die Arbeitnehmerüberlassung, ist eine Beschäftigungsform, die es Arbeitgebern ermöglichen soll, ihren Personalbedarf flexibel und zügig an Auftragsschwankungen anzupassen.
Die Leiharbeit zeichnet sich dabei durch ein vertragliches Dreiecksverhältnis zwischen den Beteiligten aus. Es besteht erst einmal ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Zeitarbeits-Unternehmen (= Vertragsarbeitgeber), dem Verleiher sowie dem Zeitarbeitnehmer. Der Zeitarbeitnehmer arbeitet aber nicht bei seinem Arbeitgeber direkt, sondern wird an andere Arbeitgeber, dem Entleiher (= Beschäftigungsarbeitgeber) für eine bestimmte Zeit entliehen und in dessen Betrieb eingegliedert und führt seine Arbeiten nach dessen Weisungen aus.
Anders als bei einem „normalen“ Arbeitsverhältnis ist also der Verleiher zwar der Arbeitgeber, der Entleiher ist jedoch der Empfänger der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Häufig wird es sich dabei um (Hilfs-)Tätigkeiten handeln, die mit einem niedrigen Anforderungsniveau verbunden sind und ohne große Einarbeitungszeit aufgenommen werden können.
Die Überlassung eines Zeitarbeitnehmers darf nach der Neufassung des AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) höchstens 18 Monate auf demselben Platz andauern. Verstöße gegen diese Überlassungshöchstdauer können Geldbußen für das Zeitarbeits-Unternehmen zur Folge haben.

Wie sieht es mit der sozialen Absicherung aus?

Ein Zeitarbeitnehmer hat wie jeder andere Arbeitnehmer Anspruch und Pflicht auf vollen Schutz der Sozialversicherung, sprich Kranken- Renten- und Arbeitslosengeld. Dasselbe gilt für Lohnfortzahlung bei Krankheit und bezahlten Urlaub. Auch im Bereich des Arbeits-, Schwerbehinderten- und Mutterschutzes sowie bei den Kündigungsfristen gelten die regulären gesetzlichen Bestimmungen.
Leistungspflichtig und Ansprechpartner ist hier der Vertragspartner des Arbeitnehmers, also das Zeitarbeitsunternehmen (= Vertragsarbeitgeber).

Wer kann den von der Reform der Leiharbeit profitieren? Wie viele Arbeitnehmer sind das?

Die Neuregelungen des AÜG soll vor allem die Stellung von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern stärken. Sinn ist es, diese spezielle Beschäftigungsform zu ihren Kernfunktionen zurückzuführen und Missbrauch von Leiharbeit zu verhindern.
Missbräuchlich sind bspw. Vertragskonstruktionen, in denen Unternehmen einen als Werkvertrag bezeichneten Vertrag abschließen, tatsächlich aber bei der Durchführung des Vertrages Arbeitnehmerüberlassung praktiziert wird. Hier werden Arbeitgeber eine Arbeitnehmerüberlassung zukünftig von vornherein offenlegen müssen. Zudem soll die Arbeit der Betriebsräte im Entleihbetrieb erleichtert werden.
Die Reform der Leiharbeit kommt im Ergebnis aber auch den Stammbelegschaften der Einsatzbetriebe zu Gute, denn sie werden von Druck auf ihre Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen entlastet. Geregelt wurde bspw., dass Leiharbeitnehmer nicht als Streikbrecher eingesetzt werden dürfen. Sie dürfen demnach keine Tätigkeiten übernehmen von Arbeitnehmern, die sich im Arbeitskampf befinden.

Was hat es mit der Equal Pay – Klausel auf sich?

Equal Pay bedeutet, Leiharbeitnehmer sollen nach einer Einsatzdauer von 9 Monaten hinsichtlich des Arbeitsentgelts mit den Stammarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern beim Entleiher gleichgestellt werden. Ab diesem Zeitpunkt erhält der Leiharbeitnehmer also das Arbeitsentgelt, was er erhalten hätte, wenn er für die gleiche Tätigkeit beim Entleiher eingestellt worden wäre bzw. was die Stammarbeitnehmer erhalten.
Zum Arbeitsentgelt zählt dabei jede Vergütung, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt wird bzw. aufgrund gesetzlicher Entgeltfortzahlungstatbestände gewährt werden muss, wie bspw. Urlaubsgelt, Entgeltfortzahlung, Sonderzahlungen, Bonuszahlungen, Zulagen, Zuschläge sowie vermögenswirksame Leistungen.

Was ist sonst mit Bonuszahlungen und Zusatzleistungen?

Ansonsten gilt, was der Leiharbeitnehmer mit dem Zeitarbeitsunternehmen vereinbart hat. Hier greifen oft Tarifverträge, die für die Zeit von bis zu 9 Monaten Abweichungen vom Grundsatz equal pay vorsehen.

Was ist mit den Ausnahmen bzw. Schlupflöchern? Kann ich mich dagegen wehren?

Wie häufig im Fall von Neuerungen, bestehen einige Unklarheiten und Schlupflöcher, die im Zweifel vor den Arbeitsgerichten geklärt werden müssen.
So werden bspw. bei der Berechnung der Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten die Überlassungszeiten vor dem 01.04.2017 nicht mitgezählt. Ein Verstoß gegen die Höchstüberlassungsdauer ist daher im Ergebnis erst ab dem 01.10.2018 möglich.
Darüber hinaus könnte die Kombination aus Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten und „Equal-Pay“ nach neun Monaten dazu führen, dass zwar nach neun Monaten eine Anpassung der Vergütung erfolgt, der Arbeitnehmer aber nach 18 Monaten vom Entleiher abgemeldet und bei einem anderen Entleiher für einen niedrigeren Lohn weiterbeschäftigt wird.
Etwaige Verstöße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz können zum einen bei der Bundesagentur für Arbeit als Erlaubnis- und Kontrollbehörde gemeldet werden. Im Falle von erheblichen Verstößen gegen den Equal Pay-Grundsatz wäre zum anderen eine arbeitnehmerseitige Abmahnung bis hin zur Arbeitsverweigerung denkbar.

Was ist, wenn es gerade keinen Auftrag gibt für die Zeitarbeitnehmer?

Der Zeitarbeitnehmer bekommt sein Gehalt, welches er mit der Zeitarbeitsfirma verabredet hat und muss während der Zeit auf Abruf stehen. Es kann auch sein, dass das Zeitarbeitsunternehmen auf die Stunden zurückgreift, die der Zeitarbeitnehmer auf seinem Arbeitszeitkonto erwirtschaftet hat.
Sollten alle Maßnahmen der Vermittlung des Zeitarbeitnehmers erfolglos bleiben, kann unter Umständen auch eine Kündigung in Betracht kommen. Dabei muss das Zeitarbeitsunternehmen aber die gesetzlichen bzw. tariflichen Kündigungsfristen beachten.
Zu einem aktuellen Urteil in dieser Hinsicht finden Sie hier.

Muss ein Zeitarbeiter eigentlich jede Arbeit machen, auch wenn er überqualifiziert ist?

Dies ist durchaus möglich. Kann der Zeitarbeitnehmer nicht in einer seiner Qualifikation entsprechenden Tätigkeit eingesetzt werden, muss er vorübergehend auch eine minderqualifizierte Arbeit akzeptieren, z.B. Koch als Küchenhilfe oder Reinigungskraft. Hier sollte besonderes Augenmerk auf die entsprechenden Formulierungen im Arbeitsvertrag geachtet werden, wenn dies vermieden werden soll.

Wie sieht es mit der räumlichen Einsetzbarkeit aus?

Es ist zu empfehlen, die räumliche Einsetzbarkeit im Arbeitsvertrag individuell zu regeln.
Häufig sehen die Arbeitsverträge einen sehr weit gefassten Einsatzbereich vor. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, diese Regelungen im Arbeitsvertrag genau festzuhalten.

Wie beurteilen Sie die Chance, als Arbeitnehmer wieder in eine dauerhafte Anstellung zu kommen durch Leiharbeit?

Grundsätzlich muss festgehalten werden, dass es sich bei der Arbeitnehmerüberlassung um eine Beschäftigungsform handelt, die durch eine hohe Fluktuation und eine große Zahl begonnener und beendeter Beschäftigungsverhältnisse geprägt ist.
Hier ein paar Zahlen:

  • Die Anzahl von Leiharbeitsverhältnissen steigt stetig. Im Jahresdurchschnitt waren 2016 knapp 1 Million Zeitarbeitnehmer in Deutschland beschäftigt. Das sind 4 Prozent mehr als noch im Vorjahr.
  • Fast jeder fünfte Arbeitslose, der 2016/2017 eine Beschäftigung aufgenommen hat, hat ein Leiharbeitsverhältnis begründet. (BA Juli 2017)
  • Auch wenn nur wenige Leiharbeitnehmer in eine Festanstellung wechseln – nach einer Studie aus dem Jahr 2010 des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nur 7 Prozent – stellt die Zeitarbeit daher jedenfalls eine Beschäftigungsperspektive für Arbeitslose, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer, Berufseinsteiger oder Berufsrückkehrer dar.
  • Ganz ohne Frage gibt es eine Chance. Es gibt Zahlen aus dem Jahr 2015. Demnach konnten 26% der Leiharbeiter 30 Tage nach Beendigung ihrer Ausleihe in eine dauerhafte Festanstellung gelangen. (Quelle: Agentur für Arbeit)
  • Nach 1 Jahr sind rund 62% der Leiharbeitsverhältnisse wieder beendet. (Stand: Dez. 2016)
  • Leiharbeiter verdienen brutto rund 42% weniger für die gleiche geleistete Arbeit als ein Festangestellter. (fest: 3.133€; leih: 1.816€)

Die aktuelle Reform der Leiharbeit haben wir auch hier für Sie zusammengefasst.

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