Krankmeldung in der Probezeit – Verstößt eine Kündigung gegen das Maßregelungsverbot?
Grundsätzlich darf ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer nicht benachteiligen, wenn diese in zulässiger Weise ihre Rechte ausüben (sog. Maßregelungsverbot). Zum Beispiel ist die Kündigung wegen einer Krankmeldung grundsätzlich unwirksam. Dieser Grundsatz ist in § 612 a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) normiert und gilt ebenso für Arbeitnehmer in der Probezeit.
Die Gerichte müssen sich immer wieder damit beschäftigen, was genau als zulässige Ausübung eigener Rechte gilt und inwiefern der Arbeitgeber mit einer Kündigung reagieren darf, ohne gegen das Maßregelungsverbot zu verstoßen. Als Beispiel dient hier eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin aus dem Jahre 2014, mit welcher dieses Stellung zu der höchst praxisrelevanten Frage bezogen hat.
Sachverhalt: Personalengpässe zur Weihnachtszeit
Die Arbeitnehmerin, eine Arzthelferin, hatte sich gegen eine Kündigung durch ihren Arbeitgeber, den Inhaber der Arztpraxis, gewehrt. Der Arbeitgeber hatte die Arbeitnehmerin in einem Gespräch darum gebeten, auch in den anstehenden Weihnachtstagen in der Praxis zu sein, um die vielen Patienten versorgen zu können.
Entgegen der Bitte meldete sich die Arbeitnehmerin am nächsten Morgen unter Vorlage eines ärztlichen Attests für 20 Tage krank. Darauf reagierte der Arbeitgeber umgehend mit einer Kündigung des Arbeitsvertrags. Im Kündigungsschreiben bezog sich der Arbeitgeber ausdrücklich auf die Krankmeldung und merkte an, dass er sich sogleich um anderweitige Mitarbeit bemühen müsse. Gegen diese Kündigung wehrte sich die Arbeitnehmerin vor Gericht.
Im Prozess berief sich der Arbeitgeber darauf, dass er in der Probezeit auch ohne einen besonderen Grund kündigen dürfe. Er hätte daher auch ganz ohne Angabe von Gründen kündigen können.
Maßregelungsverbot
Das Arbeitsgericht entschied, dass die Kündigung unwirksam sei und urteilte somit zugunsten der Arbeitnehmerin: Auch wenn der Arbeitgeber in der Probezeit auch ohne besonderen Grund kündigen dürfe, müsse er doch die gesetzlichen Vorschriften beachten. Der Arbeitgeber habe insbesondere gegen das in § 612 a BGB normierte Maßregelungsverbot (s.o.) verstoßen. Denn, wie sich aus dem Kündigungsschreiben ergebe, habe er das Arbeitsverhältnis gerade wegen der Krankmeldung gekündigt. Die Arbeitnehmerin habe mit der Krankmeldung aber nur in zulässiger Weise ihre Rechte ausgeübt.
Kündigung wegen der Krankmeldung?
Zwar habe der Arbeitgeber die Kündigung nicht nur mit der Krankmeldung selbst begründet, sondern auch die Folgen für seinen Betrieb als Grund genannt (Suche nach anderweitiger Mitarbeit). Dennoch ging das Gericht davon aus, dass die Kündigung gerade wegen der Krankmeldung erging und damit unzulässigerweise der Maßregelung dienen sollte. Die Krankmeldung und deren Folgen seien zwei Seiten derselben Medaille und es sei gleich auf welchen Aspekt der Arbeitgeber die Kündigung stütze. Andernfalls könne ein Arbeitgeber das Maßregelungsverbot durch geschickte Formulierung umgehen.
Fazit
Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer nicht allein deshalb kündigen, weil er von seinen Rechten Gebrauch macht. Häufig wird es nicht nachweisbar sein, dass die Kündigung gerade in diesem Sinne erging. Nennt der Arbeitgeber als Grund der Kündigung aber ausdrücklich, dass der Arbeitnehmer seine Rechte geltend gemacht habe (insbesondere: Krankmeldung, Streikteilnahme, Klage auf Entgeltfortzahlung bei Krankheit), ist diese Kündigung gem. § 612 a BGB grundsätzlich unwirksam.
Dies gilt unabhängig von der Betriebsgröße und der Dauer des Arbeitsverhältnisses.
Arbeitsgericht Berlin, Urteil v. 11.04.2014, Az.: 28 Ca 19104/13
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